Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
Rz. 120
Die Regelungen zur Gewährleistung des Verkäufers (und des Käufers) sind neben den Bestimmungen zum Kaufpreis das "Herz" jedes Unternehmenskaufvertrages und nehmen auch häufig quantitativ am meisten Platz im Vertragswerk ein. Wie schon eingangs dargestellt, hat das mitunter ausufernde Haftungsregelwerk in vielen Verträgen seinen Grund darin, dass das gesetzliche Gewährleistungs- bzw. Haftungsregime sowohl in seinen Voraussetzungen als auch Rechtsfolgen den Interessen der Parteien nur selten Rechnung trägt. So ist bspw. der Rücktritt beim Unternehmenskauf ein eher ungeeigneter Rechtsbehelf für den Käufer, da er meist nicht in der Lage sein dürfte, das Unternehmen als Kaufgegenstand in seiner ursprünglichen Form zurückzugeben, da dieses in der Zwischenzeit meist rechtlichen und wirtschaftlichen Veränderungen unterworfen war. Ähnliches gilt für die Minderung, da es angesichts der ohnehin schon schwierigen Unternehmensbewertung in der Praxis kaum möglich sein dürfte, den Minderungsbetrag für den konkreten Mangel konkret zu beziffern.
Aus diesen Gründen ist es in der Praxis des Unternehmenskaufs mittlerweile absoluter Standard, dass der Verkäufer bestimmte, das Unternehmen betreffende Umstände, ggü. dem Käufer in Form von selbstständigen Garantieversprechen mit Rechtsfolgenvereinbarung zusichert. Die Garantien bei Share Deal und Asset Deal sind dabei wegen der unterschiedlichen Haftungsrisiken schwerpunktmäßig oft unterschiedlich ausgestaltet.
Rz. 121
Zu unterscheiden ist bei der Ausgestaltung der Garantien zwischen objektiven, d.h. kenntnisunabhängigen und subjektiven, d.h. kenntnisabhängigen Garantien auf der einen sowie positiven und negativen Garantien auf der anderen Seite. Bei Letzteren steht der Verkäufer dafür ein, dass bestimmte Ereignisse bzw. Zustände bestehen bzw. nicht bestehen. Eine negative Garantie ist bspw. gegeben, wenn der Verkäufer versichert, dass gegen die Gesellschaft keine öffentlich-rechtlichen Verfahren anhängig oder angedroht sind. Sollte dem Verkäufer bereits bei Vertragsabschluss Umstände bekannt sein, die eine Garantieverletzung begründen (könnten), so sollte er auf die Aufnahme eines entsprechenden Zusatzes in den Vertragstext bestehen, der die Offenlegung dieses Umstandes und die damit die Einschränkung der entsprechenden Garantieerklärung ermöglicht. Ein Verschulden im technischen Sinne ist zur Verwirklichung eines Garantietatbestandes nicht erforderlich. Diese werden gerade verschuldensunabhängig gegeben.
aa) Allgemeiner Teil
(1) Selbstständige Garantien
Rz. 122
In Unternehmenskaufverträgen werden regelmäßig selbstständige Garantien vereinbart. Diese treten, je nach vertraglicher Vereinbarung, neben die gesetzlich geregelten Beschaffenheitsgarantien nach §§ 443, 444 BGB bzw. Beschaffenheitsvereinbarungen nach § 434 Abs. 2 Nr. 1 BGB oder an deren Stelle. Der Verkäufer haftet dann unbedingt und ohne Rücksicht auf ein Verschulden i.S.d. § 276 Abs. 1 BGB. Selbstständige Garantieversprechen, insb. deren Rechtsfolgen, sind gesetzlich nicht geregelt. Sie sind dogmatisch unter § 311 Abs. 1 BGB anzusiedeln. Die Parteien können daher sowohl ihre Voraussetzungen als auch Rechtsfolgen frei ausgestalten. Da die Koexistenz vertraglicher und gesetzlicher Ansprüche wegen der z.T. widersprüchlichen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen grds. weder im Interesse des Käufers noch des Verkäufers liegen dürfte, sollte im Interesse einer klaren Regelung ein möglichst weiter Ausschluss für sonstige gesetzliche Ansprüche bzw. Anspruchsgrundlagen (einschließlich vorvertraglicher Haftung), vereinbart werden.
Nach der Schuldrechtsreform bestand einige Zeit Rechtsunsicherheit darüber, ob § 444 BGB, der Haftungsbeschränkungen bei gleichzeitiger Vereinbarung von Garantien verbietet, auch für selbstständige Garantien gilt. Diese Unsicherheit wurde mittlerweile durch die Neufassung der Vorschrift beseitigt.
(2) Zeitpunkt
Rz. 123
Zu bedenken und im Vertrag ausdrücklich zu regeln ist auch die Frage, auf welchen Zeitpunkt die Garantien jeweils abgegeben werden. Zunächst wird das immer der Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages sein. Da zwischen dem Abschluss des Unternehmenskaufvertrages und...