Rz. 187

Ist bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Unternehmenskaufvertrag nicht oder (in der Praxis aufgrund Nichteintritt diverser Closing-Bedingungen) noch nicht vollständig durchgeführt, so steht dem Insolvenzverwalter das Wahlrecht nach § 103 InsO zu; danach kann er zwischen Erfüllung des Vertrages oder Ablehnung der Erfüllung wählen. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab,[184] kann der Käufer seine Ansprüche wegen Nichterfüllung (Ansprüche auf Rückforderung geleisteter Anzahlungen bzw. Schadensersatzansprüche) nur noch als einfache Insolvenzforderung geltend machen (vgl. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO).

Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Unternehmenskaufvertrag vom vorläufigen schwachen Verwalter (ohne besonderes Verfügungsverbot, sonst Behandlung wie starker vorläufiger Verwalter!) abgeschlossen wurde. Auf vom starken vorläufigen Verwalter geschlossene Verträge, die Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 InsO begründen (und aus der Insolvenzmasse vorweg nach § 53 InsO zu befriedigen sind), findet das Wahlrecht nach § 103 InsO nach überwiegender Ansicht keine Anwendung.[185]

 

Hinweis

Auch aus den vorbenannten rechtlichen Erwägungen heraus empfiehlt es sich, den Unternehmenskaufvertrag erst im eröffneten Verfahren abzuschließen. Ausnahmsweise kann der Erwerb im Eröffnungsverfahren betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, wenn das Insolvenzverfahren erst zu einem späten Zeitpunkt eröffnet werden kann. Dann sollte der Vertrag so ausgestaltet sein, dass dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters entweder keine Bedeutung mehr zukommt oder der Rückgewähranspruch des Erwerbers gesichert ist.

Gleichwohl wird in der Praxis bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren die übertragende Sanierung soweit vorbereitet und verhandelt, dass eine kurzfristige Übertragung des Unternehmens möglichst unmittelbar (d.h. innerhalb einer juristischen Sekunde) nach Insolvenzeröffnung durchgeführt werden kann. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird mit dem potenziellen Erwerber in diesem Fall die vorbereitenden Maßnahmen abstimmen (etwa Kündigung von Arbeitnehmern, Überleitung von Vertragsverhältnissen etc.). Die kurzfristige Veräußerung entspricht auch dem Interesse des Insolvenzverwalters, da zum einen aufgrund der anhaltenden Verlustsituation das insolvente Unternehmen nicht bei Vollkosten[186] nach Eröffnung des Verfahrens über einen längeren Zeitraum fortgeführt werden kann, zum anderen jegliche weitere Verzögerung die Gefahr eines erheblichen Vermögensverzehrs birgt.

[184] Werden vom Erwerber auch Verbindlichkeiten (außer von ab- und aussonderungsberechtigten Gläubigern) des Schuldners übernommen, verletzt die Übernahme der Verbindlichkeiten durch den Erwerber den Grundsatz der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger; der Insolvenzverwalter ist daher zur Ablehnung verpflichtet, vgl. ausführlich hierzu Rödder/Hötzel/Müller-Thuns, Unternehmenskauf, Unternehmensverkauf, § 17 Rn 5, 6.
[185] Hoenig/Meyer-Loewy, ZIP 2002, 2162, 2163.
[186] Im Insolvenzantragsverfahren mögliche positive Liquiditätseffekte (etwa aus der Nutzung von Insolvenzgeld) entfallen im eröffneten Verfahren.

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