Florian Aigner, Dr. Gabor Mues
Rz. 189
Gem. § 80 Abs. 1 InsO geht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Gemeinschuldners vollumfänglich auf den Insolvenzverwalter über. Ab diesem Zeitpunkt verliert der Schuldner bzw. die Geschäftsführung seine bzw. ihre Entscheidungsbefugnis, sämtliche unternehmerischen Entscheidungen werden, vorbehaltlich der vorgesehenen Mitwirkungsrechte der Gläubiger, grds. vom Insolvenzverwalter getroffen. Dieser fungiert damit als alleiniger Verkäufer des Schuldnerunternehmens.
1. Zulässigkeit
Rz. 190
Entscheidende Schnittstelle des weiteren Verfahrens nach Insolvenzeröffnung ist die erste Gläubigerversammlung, der sog. Berichtstermin (§ 156 InsO). Dieser ist im Eröffnungsbeschluss vom Insolvenzgericht festzusetzen (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und findet, falls möglich, 6 Wochen, spätestens jedoch 3 Monate nach Eröffnung statt. Hier berichtet der Insolvenzverwalter über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, insb. über die Möglichkeiten, das Unternehmen ganz oder in Teilen zu erhalten. Weiter beschließt die Gläubigerversammlung darüber, ob das Unternehmen vorläufig weitergeführt, stillgelegt oder das Vermögen verwertet werden soll, wozu vorrangig eine Veräußerung zählt.
Rz. 191
Nach dem Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter nach der ausdrücklichen Regelung des § 159 InsO unverzüglich das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen zu verwerten. Ob eine Veräußerung auch in dem Zeitraum zwischen Verfahrenseröffnung und vor dem Berichtstermin zulässig ist, wurde vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinfachung der InsO überwiegend bezweifelt. Nach der Neufassung des § 158 Abs. 1 InsO ist nun die Möglichkeit gegeben, das Unternehmen des Gemeinschuldners bereits vor dem Berichtstermin zu veräußern, wenn der Gläubigerausschuss, sofern bestellt, zugestimmt hat. Der Insolvenzschuldner ist vor der Beschlussfassung bzw. im Fall der Nichtbestellung vor der Veräußerung hiervon zu unterrichten und kann beim Insolvenzgericht beantragen, die Veräußerung zu untersagen, wenn dies ohne erhebliche Verminderung der Insolvenzmasse bis zum Berichtstermin aufgeschoben werden kann, vgl. § 158 Abs. 2 Satz 2 InsO.
Hinweis
In der Zeit zwischen Verfahrenseröffnung und Berichtstermin wurden und werden in der Praxis ungeachtet der vormals geäußerten Zweifel an der Zulässigkeit die meisten übertragenden Sanierungen durchgeführt, i.d.R. direkt nach Eröffnung des Verfahrens. Der Grund hierfür liegt zum einen darin, dass durch eine frühzeitige Veräußerung Masseverbindlichkeiten erspart bleiben und damit die Befriedigungsquoten der Gläubiger verbessert werden, zum anderen ist es im Interesse des Erwerbers, die negativen Folgen der Insolvenz zeitlich so weit als möglich einzudämmen. Ein Verstoß gegen eine untersagende Entscheidung des Insolvenzgerichts oder ohne Zustimmung des Gläubigerausschusses oder sonstige Mitwirkungsgebote hat i.Ü. keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der vorgenommenen Unternehmensveräußerung (vgl. §§ 80, 164 InsO).
2. Zustimmungserfordernisse
Rz. 192
Nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO bedarf die Veräußerung des Unternehmens oder Betriebes der Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung, wenn ein solcher nicht bestellt ist (§ 160 Abs. 1 Satz 2 InsO). Regelmäßig ist die Zustimmung dabei vor Veräußerung einzuholen (vgl. § 161 InsO). Liegt diese nicht vor, besteht die Gefahr der Untersagung durch das Insolvenzgericht.
Bei Veräußerungen an besonders Interessierte (§ 162 InsO) und Veräußerungen unter Wert (§ 163 InsO) gelten besondere Vorschriften, die zwingend eine Zustimmung der Gläubigerversammlung verlangen.
Neben der Zustimmung durch die Gläubiger bedarf es keiner weiteren Zustimmung, insb. durch die Gesellschafter oder Aktionäre des Gemeinschuldners.
Hinweis
Selbst wenn die Veräußerung ohne die erforderliche Zustimmung der Gläubiger und Beachtung des entsprechenden Verfahrens erfolgt, hat dies auf die Wirksamkeit der Veräußerung im Außenverhältnis keinerlei Einfluss (vgl. § 164 InsO). Es kommt in diesem Fall lediglich eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 InsO in Betracht. Aus diesem Grund wird der Insolvenzverwalter den Veräußerungsvertrag regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung der erforderlichen Zustimmung bzw. der auflösenden Bedingung der Nichterteilung abschließen bzw. sich durch ein Rücktrittsrecht absichern.