Rz. 170

§ 117 Abs. 1 S. 1 FamFG ordnet abweichend von § 65 FamFG für Familienstreitsachen sowohl die Pflicht zur Stellung eines Sachantrags[239] als auch eine Begründungspflicht für die Beschwerde an.

 

Rz. 171

Die in § 117 Abs. 1 FamFG an die Beschwerdebegründung gestellten Anforderungen entsprechen denen, die die ZPO an die Berufungsbegründung stellt; Beschwerde-und Berufungsbegründung dienen zudem dem gleichen Zweck, weshalb die in der Rechtsprechung für die Berufungsbegründung entwickelten Grundsätze auf die Beschwerdebegründung zu übertragen sind:[240]

 

Rz. 172

 

Praxistipp

Die Beschwerdebegründung muss aus sich heraus verständlich sein;[241] die Beschwerdebegründung muss deutlich machen, welche Erwägungen des angefochtenen Beschlusses aus welchen Gründen angegriffen werden; sie muss auf den zur Entscheidung stehenden konkreten Fall zugeschnitten sein, formularmäßige Sätze und allgemeine Redewendungen genügen nicht;[242] es reicht nicht aus, die Rechtsausführungen des amtsgerichtlichen Beschlusses als unzutreffend zu rügen, wenn nur die Rechtsausführungen des angefochtenen Beschlusses angegriffen werden, vielmehr muss zumindest ansatzweise dargelegt werden, von welcher Rechtsansicht der Beschwerdeführer ausgeht.[243] So muss die Beschwerdebegründung in den Fällen der Anspruchsnormenkonkurrenz (siehe dazu oben Rn 15). Wenn das Familiengericht die Abweisung des Antrags hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt hat, den amtsgerichtlichen Beschluss in allen diesen Punkten angreifen und daher für jede der mehreren Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung nach Auffassung des Beschwerdeführers nicht trägt- anderenfalls ist die Beschwerde unzulässig.[244] Dementsprechend muss sich die Beschwerdebegründung bei mehreren Verfahrensgegenständen (sogenannte echte Normenkonkurrenz, siehe dazu oben Rn 12 ff.) mit sämtlichen Verfahrensgegenständen auseinandersetzen und zum Ausdruck bringen, weshalb diese vom Familiengericht rechtlich unzutreffend bewertet worden sind.[245]

Nach § 65 Abs. 3 FamFG kann die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden. Dementsprechend ist die Beschwerdeinstanz nach der Konzeption des FamFG nicht nur in den reinen FamFG-Familiensachen, sondern auch in Familienstreitsachen (ebenso in Ehesachen) volle zweite Tatsacheninstanz. Korrespondierend und konsistent ist nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG aufgrund der abschließenden, sämtliche anwendbaren Präklusionsvorschriften umfassenden Regelung des 115 FamFG, die entsprechende Anwendung der §§ 530, 531 ZPO ausgeschlossen – dies ergibt sich zudem bereits aus dem gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG anzuwendenden § 68 Abs. 3 S. 1 FamFG, da sich nach der Vorschrift das Beschwerdeverfahren im Übrigen nach den Vorschriften im ersten Rechtszug bestimmt (siehe oben Rn 136 f.).

[239] Siehe zum Sachantrag und dessen Abgrenzung zum Verfahrensantrag sowie zur Funktion der beiden Antragsarten Erbarth, FamR Mandat, Ehewohnung-Haushaltssachen-Gewaltschutz, 1. Aufl. 2014, § 6 Rn 21 ff.; Erbarth, NZFam 2014, 515, 516 sub 2.; MüKo-FamFG/Ulrici, § 23 Rn 5 ff.; MüKo-FamFG/Erbarth, § 203 Rn 7 ff.
[240] Prütting/Helms/Feskorn, § 117 Rn 23; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, § 117 Rn 18.
[241] BGH NJW 2002, 682; NJW 1995, 1559.
[242] BGH NJW 2002, 682; NJW 1999, 3784; NJW 1995, 1559.
[244] BGH NJW-RR 2006, 285; FamRZ 2004, 435; NJW 2002, 682.
[245] BGH MDR 2006, 943; NJW 1998, 1399.

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