aa) Begründungsfrist, § 117 Abs. 1 S. 3 FamFG

 

Rz. 167

Die Frist zur Begründung der Beschwerde beträgt gemäß § 117 Abs. 1 S. 3 FamFG zwei Monate und beginnt wie die Beschwerdefrist "mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses", spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

 

Rz. 168

Die Zweimonatsfrist beginnt also – wie die Beschwerdefrist selbst – mit der von Amts wegen entsprechend § 317 ZPO vom Amtsgericht veranlassten Zustellung des verkündeten Beschlusses an den Beschwerdeführer (siehe oben Rn 166); die Fünfmonatsfrist beginnt mit der Verkündung des Beschlusses, da die Verkündung den Erlass und zugleich die Bekanntgabe des Beschlusses bewirkt (siehe oben Rn 166). Die Berechnung der Fristen erfolgt auch hier entsprechend § 222 ZPO in Verbindung mit §§ 187193 BGB.

 

Rz. 169

 

Praxistipp

Die Beschwerdebegründungsfrist kann entsprechend § 520 Abs. 2 S. 2, S. 3 ZPO in Verbindung mit § 117 Abs. 1 S. 4 Alt. 1 FamFG vom Senatsvorsitzenden verlängert werden. Nach § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO kann die Verlängerung mit Einwilligung des Beschwerdegegners auf Antrag des Beschwerdeführers, der vor Fristablauf zu stellen ist, vom Vorsitzenden über einen Monat hinaus bewilligt werden. Ohne eine solche Einwilligung des Antragsgegners kann der Vorsitzende die Begründungsfrist bis zu einem Monat verlängern, wenn nach seiner freien Überzeugung das Verfahren durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder der Beschwerdeführer erhebliche Gründe darlegt. Erhebliche Gründe sind etwa Arbeitsüberlastung,[236] Erkrankungen des Rechtsanwalts oder seiner Mitarbeiter, fehlende Informationen[237] und bisher nicht mögliche Rücksprache mit dem Mandanten.[238]

[237] BGH NJW 2010, 1610; NJW 2001, 3552.
[238] BGH NJW 2010, 1610; NJW 1997, 400.

bb) Inhalt der Beschwerdebegründung

 

Rz. 170

§ 117 Abs. 1 S. 1 FamFG ordnet abweichend von § 65 FamFG für Familienstreitsachen sowohl die Pflicht zur Stellung eines Sachantrags[239] als auch eine Begründungspflicht für die Beschwerde an.

 

Rz. 171

Die in § 117 Abs. 1 FamFG an die Beschwerdebegründung gestellten Anforderungen entsprechen denen, die die ZPO an die Berufungsbegründung stellt; Beschwerde-und Berufungsbegründung dienen zudem dem gleichen Zweck, weshalb die in der Rechtsprechung für die Berufungsbegründung entwickelten Grundsätze auf die Beschwerdebegründung zu übertragen sind:[240]

 

Rz. 172

 

Praxistipp

Die Beschwerdebegründung muss aus sich heraus verständlich sein;[241] die Beschwerdebegründung muss deutlich machen, welche Erwägungen des angefochtenen Beschlusses aus welchen Gründen angegriffen werden; sie muss auf den zur Entscheidung stehenden konkreten Fall zugeschnitten sein, formularmäßige Sätze und allgemeine Redewendungen genügen nicht;[242] es reicht nicht aus, die Rechtsausführungen des amtsgerichtlichen Beschlusses als unzutreffend zu rügen, wenn nur die Rechtsausführungen des angefochtenen Beschlusses angegriffen werden, vielmehr muss zumindest ansatzweise dargelegt werden, von welcher Rechtsansicht der Beschwerdeführer ausgeht.[243] So muss die Beschwerdebegründung in den Fällen der Anspruchsnormenkonkurrenz (siehe dazu oben Rn 15). Wenn das Familiengericht die Abweisung des Antrags hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt hat, den amtsgerichtlichen Beschluss in allen diesen Punkten angreifen und daher für jede der mehreren Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung nach Auffassung des Beschwerdeführers nicht trägt- anderenfalls ist die Beschwerde unzulässig.[244] Dementsprechend muss sich die Beschwerdebegründung bei mehreren Verfahrensgegenständen (sogenannte echte Normenkonkurrenz, siehe dazu oben Rn 12 ff.) mit sämtlichen Verfahrensgegenständen auseinandersetzen und zum Ausdruck bringen, weshalb diese vom Familiengericht rechtlich unzutreffend bewertet worden sind.[245]

Nach § 65 Abs. 3 FamFG kann die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden. Dementsprechend ist die Beschwerdeinstanz nach der Konzeption des FamFG nicht nur in den reinen FamFG-Familiensachen, sondern auch in Familienstreitsachen (ebenso in Ehesachen) volle zweite Tatsacheninstanz. Korrespondierend und konsistent ist nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG aufgrund der abschließenden, sämtliche anwendbaren Präklusionsvorschriften umfassenden Regelung des 115 FamFG, die entsprechende Anwendung der §§ 530, 531 ZPO ausgeschlossen – dies ergibt sich zudem bereits aus dem gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG anzuwendenden § 68 Abs. 3 S. 1 FamFG, da sich nach der Vorschrift das Beschwerdeverfahren im Übrigen nach den Vorschriften im ersten Rechtszug bestimmt (siehe oben Rn 136 f.).

[239] Siehe zum Sachantrag und dessen Abgrenzung zum Verfahrensantrag sowie zur Funktion der beiden Antragsarten Erbarth, FamR Mandat, Ehewohnung-Haushaltssachen-Gewaltschutz, 1. Aufl. 2014, § 6 Rn 21 ff.; Erbarth, NZFam 2014, 515, 516 sub 2.; MüKo-FamFG/Ulrici, § 23 Rn 5 ff.; MüKo-FamFG/Erbarth, § 203 Rn 7 ff.
[240] Prütting/Helms/Feskorn, § 117 Rn 23; Schulte-Bun...

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