Rz. 18
Folgende inhaltlichen Fragen sollten bei jeder Beratung vor dem Abschluss eines Abfindungsvergleichs angesprochen werden (nach Nugel, zfs 2006, 192):
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Welche Schadenspositionen werden erfasst (materiell/immateriell)? |
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Welche Ansprüche könnten demgegenüber dem Mandanten zustehen? |
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Zahlt der Versicherer einen "Risikozuschlag"? |
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Erfasst der Vergleich (wie im Regelfall) auch derzeit nicht erkennbare, aber mögliche Folgeschäden? |
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Bei längeren bzw. unregelmäßigen Behandlungen: Immer über den aktuellen Gesundheitszustand des Mandanten informieren und ggf. nachfragen. Wenn ein ärztlicher Hinweis auf mögliche Folgeschäden besteht: Im Zweifel von einem solchen Vergleichsabschluss ausdrücklich abraten. |
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In jedem Fall muss der Hinweis erfolgen, dass im Zweifel eine falsche ärztliche Auskunft im Risikobereich des Mandanten liegt. |
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Immer ist auf die Verbindlichkeit des Abfindungsvergleichs hinzuweisen, welche nur in eng begrenzten Ausnahmefällen aufgehoben werden kann. |
Rz. 19
Aus Gründen der Beweissicherung sollte diese Aufklärung gegenüber dem Mandanten schriftlich erfolgen. Das kann z.B. auch in einem Begleitbrief erfolgen, weil der Mandant den Brief ja in jedem Fall erhalten haben muss. Er kann zur Sicherheit auch mit einer zurückzusendenden Quittung verbunden werden.
Rz. 20
Die zentralen Rechtsausführungen zu der Wirkung eines Abfindungsvergleichs lassen sich dabei zeitsparend als Musterdatei erstellen und ggf. als Kern für jede Beratung wieder verwenden. Auch die Einholung notwendiger Informationen zu dem Gesundheitszustand des Mandanten sollte aus Beweissicherungsgründen im Zweifel immer schriftlich erfolgen (Nugel, a.a.O., S. 192).
Rz. 21
Grundsätzlich bedarf es zum Abschluss eines Vergleichs keiner Unterzeichnung einer Abfindungserklärung. In der Praxis wird eine solche Unterzeichnung aber regelmäßig gewünscht, was aus Gründen gegenseitiger Beweisführung sicher auch zweckmäßig ist.
Rz. 22
Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung hat der Ersatzpflichtige aber keinen Anspruch darauf, dass der Geschädigte eine Abfindungserklärung unterzeichnet. Die Schädigerseite kann also die Auszahlung des Schadensersatzes nicht von der Unterzeichnung einer Abfindungserklärung abhängig machen. Das würde einer Nötigung gleichkommen (OLG Frankfurt NVersZ 1999, 144). Gleichwohl versuchen Versicherer immer wieder, insbesondere bei Bagatellschmerzensgeldern die Auszahlung von der Unterzeichnung einer Abfindungserklärung abhängig zu machen. Das ist vollkommen inakzeptabel, darauf sollte sich niemand einlassen.
Rz. 23
Vor der Unterzeichnung sollte das Für und Wider einer Abfindung mit dem Geschädigten in aller Gründlichkeit durchgesprochen werden. Vor allem sind die Alternativen zu bedenken (Rentenzahlungen), aber auch im Hinblick auf etwaige Zukunftsschäden die Endgültigkeit.
Rz. 24
Ist der Geschädigte minderjährig, so ist zu berücksichtigen, dass gem. § 1629 Abs. 1 BGB beide Elternteile dem Abfindungsvergleich zustimmen müssen und dies am besten durch ihre Unterschrift bekunden. Eine Besonderheit gilt allerdings, sofern ein oder beide Elternteile zu dem Schadensereignis beigetragen haben und ggf. eigene Regressansprüche des Kindes gegen seine Eltern bestehen. In diesem Fall kann in entsprechender Anwendung der §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB die Bestellung eines Ergänzungspflegers notwendig sein, um die Interessenskollision der Eltern zum Schutz des Kindes zu vermeiden. Die weit reichende verschuldensunabhängige Haftung eines Fahrzeughalters gem. § 7 StVG, die sich nach der Gesetzesänderung zum 1.8.2002 auch auf eine Haftung gegenüber Insassen erstreckt, muss dabei beachtet werden (vgl. § 1 Rdn 128 ff. sowie Nugel, a.a.O., S. 192, 193).
Rz. 25
Tipp
Der Anwalt sollte Abfindungserklärungen nie im Namen und in Vollmacht des Mandanten unterzeichnen. Diese sollten ausschließlich nur von dem Mandanten selbst unterzeichnet werden. Wenn es später einmal Streit wegen eingetretener Folgeschäden gibt, ist der Anwalt sonst schnell "in der Schusslinie" des Regresses mit der Erklärung des Mandanten, der Anwalt habe die Abfindungserklärung ohne Auftrag unterzeichnet oder ihm den vollständigen Text der Erklärung nicht erläutert.
Rz. 26
Abfindungserklärungen enthalten meistens Klauseln, wonach auch Ansprüche gegen Dritte ausgeschlossen sein sollen. Diese Klausel ist allein schon deshalb unschädlich, weil bei gesamtschuldnerischer Haftung die Erfüllung des Abfindungsvergleichs ohnehin auch zugunsten des anderen Gesamtschuldners wirkt.
Rz. 27
Abfindungserklärungen dürfen jedoch nie Ansprüche umfassen, die kraft Gesetzes auf Sozialleistungsträger übergegangen sind. Weder der Geschädigte noch sein Anwalt können oftmals jedoch wissen, welche Ansprüche des Sozialleistungsträgers noch nicht oder wie behandelt worden sind. Zu beachten ist auch, dass die Schädigerseite trotz eines Forderungsübergangs und damit mangels Aktivlegitimation nicht mehr gegebenen Verfügungsbefugnis des Geschädigten im Rahmen einer Abfindung unter den Voraussetzungen des § 407 BGB gutgl...