Rz. 71
Kommt es zur Insolvenzeröffnung, wird i.d.R. der vorläufige Insolvenzverwalter zum ("endgültigen") Insolvenzverwalter bestellt. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht geht jetzt vom Wohnungseigentümer auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Der Insolvenzverwalter ist daher zu Eigentümerversammlungen einzuladen; nur er ist dort stimmberechtigt und anschließend ggf. für eine Anfechtungsklage aktivlegitimiert. Der Eigentümer ist aber trotzdem berechtigt, an Eigentümerversammlungen teilzunehmen und deshalb ebenfalls einzuladen. Im Übrigen führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Wohnungseigentümers weder zur "automatischen" Aufhebung der Gemeinschaft, noch kann die Aufhebung vom Insolvenzverwalter verlangt werden.
Rz. 72
Es wird vertreten, dass der Insolvenzverwalter die vom Wohnungseigentümer vor der Insolvenzeröffnung geleisteten (bzw. nach Titulierung im Wege der Zwangsvollstreckung beigetriebene) Hausgeldzahlungen bis zu 10 Jahre rückwirkend gem. §§ 143 Abs. 1, 129 ff. InsO anfechten und (erneute) Zahlung zur Insolvenzmasse verlangen könne. Das ist aber nicht richtig, denn in Bezug auf privilegierte Hausgeldansprüche i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG, deretwegen der Gemeinschaft das Recht auf abgesonderte Befriedigung zusteht (→ § 9 Rdn 89), fehlt es an der Gläubigerbenachteiligung und damit an der Anfechtbarkeit. Unabhängig davon darf sich eine Gemeinschaft von einer drohenden Insolvenz eines Wohnungseigentümers von der Hausgeldbeitreibung keinesfalls abhalten lassen, denn niemand kann im Voraus wissen, ob es wirklich zu einer Insolvenz des Wohnungseigentümers und anschließender Insolvenzanfechtung kommt.
Rz. 73
Nach der Insolvenzeröffnung fällig werdende Vorschüsse oder Nachschüsse (gem. Wirtschaftsplan, Sonderumlage oder Jahresabrechnung) sind Masseforderungen. Das gilt auch dann, wenn eine Sonderumlage zur Deckung des Ausfalls erhoben wird, dessen Ursache die Beitragsrückstände des insolventen Wohnungseigentümers sind. An dieser Sonderumlage ist der insolvente Eigentümer zu beteiligen, wodurch die Hausgeldansprüche, auch wenn sie auf die Zeit vor der Insolvenzeröffnung zurückgehen, zu Masseforderungen werden. Der Insolvenzverwalter muss diese Forderungen also bezahlen und kann ggf. mit Erfolg verklagt werden; außer es liegt Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) vor. Diese muss der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht und den Massegläubigern anzeigen. Damit lassen sich Insolvenzverwalter manchmal lange Zeit; die Gemeinschaft steht dann vor der Frage, ob sie Klage auf Hausgeldzahlung erheben oder weiter abwarten soll.
Rz. 74
Beispiel
Am 31.1.2022 wird über das Vermögen von Miteigentümer A das Insolvenzverfahren eröffnet und X als Insolvenzverwalter eingesetzt. Trotz mehrfacher Aufforderung durch den WEG-Verwalter bezahlt X kein Hausgeld. Im Juli beantragt die Gemeinschaft schließlich einen gerichtlichen Mahnbescheid gegen X, der Widerspruch einlegt und zugleich gegenüber dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit anzeigt. Wie geht es weiter? – Die Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens (durch Überleitung in das streitige Verfahren) ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil eine Vollstreckung aus dem Titel gem. § 210 InsO unzulässig wäre. Wenn der Insolvenzverwalter die Überleitung in das gerichtliche Verfahren erzwingt, bleibt der Gemeinschaft nur die Klagerücknahme. Zwar könnte man meinen, dass der Verwalter der Gemeinschaft zum Ersatz der Kosten des Mahnverfahrens verpflichtet sei, da letzteres bei rechtzeitiger Anzeige gar nicht eingeleitet worden wäre; einen solchen Schadensersatzanspruch lehnt der BGH aber ab, da den Insolvenzverwalter keine Pflicht träfe, im Interesse der WEG die Masseunzulänglichkeit rechtzeitig anzuzeigen. Die Folge ist, dass die WEG auf den Kosten der gescheiterten Titulierung "sitzen bleibt" und die offenen Hausgeldforderungen nicht einmal im Wege der Zwangsversteigerung der Wohnung betreiben kann, denn dies soll nur für Rückstände vor Eröffnung des Verfahrens möglich sein.
Rz. 75
Der Insolvenzverwalter kann die Freigabe des Wohnungseigentums aus der Masse erklären, um sich den aus der Eigentümerstellung erwachsenden Verpflichtungen zu entziehen. Die Freigabe eines Grundstücks ist in § 32 Abs. 3 InsO vorgesehen, ihre Voraussetzungen und Rechtsfolgen werden aber nicht geregelt; entsprechend ungeklärt sind viele Fragen. Insbesondere ist streitig, ob sich der Insolvenzverwalter durch die Freigabe der Pflicht zur Beitragszahlung an die Gemeinschaft entziehen kann. Teilweise wird vertreten, nach der Freigabe sei wieder (nur) der Wohnungseigentümer zur Zahlung von Vorschüssen verpflichtet. Nach anderer Auffassung haftet (nur) der Insolvenzverwalter trotz Freigabe weiter. Eine Haftung des Insolvenzverwalters wegen unterbliebener oder verspäteter Freigabe besteht prinzipiell nicht; der Gemeinschaft kann das egal sein, da es infolge des dinglichen Charakters der Hausgeldforderungen für die Beit...