Rz. 81
Von einer Mehrhausanlage spricht man, wenn sich auf einem Grundstück mehrere räumlich abgeschlossene Einheiten befinden, die zu einer Wohnungseigentümergemeinschaft zusammengefasst sind. Typisch sind folgende Fälle:
▪ |
Mehrere größere (Mehrfamilien-)Häuser; |
▪ |
"Kolonie" von Einfamilienhäusern (oft Ferienhäuser); |
▪ |
Reihen- und Doppelhäuser; |
▪ |
Vorder- und Hinterhaus oder Mehrfamilienhaus als Vorderhaus und Einfamilienhaus als Rückgebäude; |
▪ |
Sonderfall: Haus mit Tiefgarage. |
Rz. 82
Der Grund für die Existenz der Mehrhausanlagen ist meistens im öffentlichen Baurecht zu finden. Zum einen dürfen durch die Teilung eines Grundstücks keine Verhältnisse entstehen, die den Festsetzungen des Bebauungsplans widersprechen (§ 19 Abs. 2 BauGB); zum anderen gelten die Gebote über Abstandsflächen nur für Häuser auf verschiedenen Grundstücken. Ein Bauträger kann also intensiver (enger) und damit profitabler bauen, wenn er mehrere Häuser auf einem ungeteilten Grundstück errichtet (salopp gesprochen das Grundstück "ausmostet"), als wenn er die Häuser auf verschiedene Grundstücke verteilt.
Rz. 83
Die Mehrhausanlage entspricht nicht dem Leitbild des Gesetzgebers; das Gesetz ist für die Ein-Haus-Eigentümergemeinschaft konzipiert. Es fehlt demnach an Sonderregelungen für die Mehrhausanlage, woran auch im Zuge der WEG-Reform 2020 nichts geändert wurde. Die Zurückhaltung des Gesetzgebers ist zu begrüßen: eine Mehrhausanlage bedarf tatsächlich keiner Sonderregelung. Leider fühlen sich Projektentwickler, Bauträger und Notare allzu oft dazu berufen, in der Teilungserklärung Untergemeinschaften zu begründen (→ § 12 Rdn 90). Die entsprechenden Regelungen sind vielfach unklar und streitanfällig und machen jedenfalls den Verwaltern das Leben unnötig schwer; man sollte darauf besser verzichten. Welchen Vorteil die Eigentümer von der wirtschaftlichen Trennung der einzelnen Häuser haben sollen, erschließt sich nicht. Und wenn man diese Trennung unbedingt möchte, lässt sie sich durch einen Beschluss nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG bewirken.
Rz. 84
Für die Eigentumsverhältnisse gelten ohne Einschränkung die Grundsätze und Grenzen des § 5 WEG. Konstruktive, gestaltprägende und dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienende Bestandteile der einzelnen Gebäude (z.B. Mauern, Fenster, Dach, Balkone, Aufzug, Heizungsanlage) stehen auch bei der Mehrhausanlage zwingend im Gemeinschaftseigentum. Wenn einzelne Gebäude einer Mehrhausanlage (oder auch einzelne Garagen) dem ausschließlichen Gebrauch einzelner (Wohnungs-)Eigentümer dienen sollen, kann an den betreffenden Gebäuden zwar Sondereigentum begründet werden; auch dann erstreckt sich das Sondereigentum aber nicht auf die zwingend im Gemeinschaftseigentum stehenden Bestandteile der Gebäude, sodass sie i.E. wie Sondereigentumseinheiten innerhalb eines Hauses zu behandeln sind.
Rz. 85
Grundsätzlich sind alle Eigentümer zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums befugt. Bei Mehrhausanlagen, die ganz oder überwiegend aus einzeln genutzten Häusern bestehen (Reihenhäuser, Ferienhaussiedlung usw.), wird das Recht zum Mitgebrauch aber meistens ausgeschlossen, indem an den einzelnen Häuser (Gruppen-)Sondernutzungsrechte begründet oder indem sie dem Sondereigentum zugewiesen werden, was im Ergebnis auf dasselbe hinausläuft. Auch sonst gibt es gewisse "systemimmanente" Grenzen des Mitgebrauchsrechts; "hausfremde" Wohnungseigentümer können nicht beliebig Zugang zu Bereichen des fremden Hauses verlangen.
Rz. 86
Sofern die Gemeinschaftsordnung keine abweichenden Regelungen trifft, wird die Mehrhausanlage bei der Verwaltung ausnahmslos als ein Objekt (das sie im Rechtssinne ja auch ist) behandelt. In jedem Fall gibt es nur einen Verwalter; die Bestellung mehrerer Verwalter für die einzelnen Gebäude ist nichtig (siehe auch → § 12 Rdn 100). Die Anzahl der Mitglieder des Verwaltungsbeirats kann seit der WEG-Reform 2020 frei bestimmt werden, sodass für jedes der Häuser ein Beirat gewählt werden kann. Es finden gemeinsame und keine getrennten Eigentümerversammlungen statt, wobei alle Miteigentümer der Gesamtanlage bei allen Angelegenheiten mitstimmen dürfen. Die einzige Ausnahme, bei der auch ohne entsprechende Regelung in der Gemeinschaftsordnung ein Blockstimmrecht anerkannt wird, betrifft Gebrauchsregelungen: Wenn diese nur ein Gebäude betreffen und keinen Bezug zur Verkehrssicherungspflicht (die gemeinschaftlich wahrzunehmen ist) haben, sind nur die Eigentümer des betreffenden Gebäudes stimmberechtigt.
Rz. 87
Kosten, die sich auf das Gemeinschaftseigentum (gleichgültig bei welchem der Häuser) beziehen, werden in einer Jahresabrechnung (nicht mehreren hausweise getrennten) abgerechnet. Als Verteilerschlüssel ist im Ausgangspunkt der allgemeine Kostenverteilungsschlüssel anzuwenden, auch wenn Kosten nur in einem Haus anfallen. Der Verteilerschlüssel kann aber gem. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG geändert werden (→ § 8 Rdn 47). Auf diese Weise kann bei der Mehrhausanlage eine hausweise Kostentrennung erfolgen, ...