1. Insolvenzantrag durch die Gemeinschaft?
Rz. 62
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Wohnungseigentümers erfolgt aufgrund eines Eigenantrags oder auf Antrag eines Dritten. Ob die Gemeinschaft bei Beitragsrückständen einen Insolvenzantrag stellen kann, ist wegen der Bevorrechtigung der Hausgeldrückstände in der Zwangsversteigerung fraglich. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Insolvenzantrag unzulässig, wenn die Forderung eines Gläubigers zweifelsfrei vollständig dinglich gesichert ist; und das ist bei (privilegierten) Hausgeldrückständen zumindest im Umfang bis zu 5 % des Verkehrswertes der Fall. Daher ist der Gemeinschaft insoweit das Bedürfnis und somit das Recht zur Stellung eines Insolvenzantrags abzusprechen; die Rechtsprechung ist dem bislang aber nicht gefolgt. Der für die Hausgeldbeitreibung zuständige Verwalter kann demnach für die Gemeinschaft einen Insolvenzantrag gegen einen zahlungssäumigen Wohnungseigentümer stellen. Das kann im Einzelfall aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein, und sei es nur aufgrund der Erwartung, dass sich der Wohnungseigentümer infolge des dadurch bewirkten Drucks doch noch zu einer schnellen Begleichung seiner Außenstände in der Lage sieht.
2. Die Verbraucherinsolvenz
Rz. 63
Das Verbraucherinsolvenzverfahrens steht nur natürlichen Personen (Gegensatz: juristische Personen, also GmbH, AG usw.) offen, die keine oder nur eine geringfügige selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Ziel ist die Entlastung der Justiz, indem dem eigentlichen Insolvenzverfahren zwei Stufen vorgeschaltet werden: Zunächst muss der Schuldner auf der Grundlage eines Schuldenbereinigungsplans versuchen, eine außergerichtliche Einigung mit seinen Gläubigern herbeizuführen. Wenn das nicht klappt, muss er auf die Feststellung eines Schuldenbereinigungsplans durch das Insolvenzgericht hinwirken. Nur wenn auch dieses Verfahren scheitert, wird ein (vereinfachtes) Insolvenzverfahren mit dem Ziel der Restschuldbefreiung durchgeführt.
Rz. 64
Der Schuldenbereinigungsplan kommt in der Praxis normalerweise nicht zustande. Der Versuch ist aber Voraussetzung dafür, dass der Schuldner überhaupt einen Insolvenzantrag stellen kann. Gem. § 305 Abs. 1 InsO muss er nämlich mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine von einer geeigneten Person oder Stelle ausgestellte Bescheinigung vorlegen, aus der sich ergibt, dass eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht wurde.
Rz. 65
Der Schuldenbereinigungsplan muss eine Aufstellung aller gegen den Schuldner bestehenden Forderungen beinhalten. Weil der Schuldner i.d.R. nicht über eine geordnete und vollständige Aufstellung aller seiner Schulden verfügt, gibt ihm § 305 Abs. 2 InsO einen Anspruch gegen die Gläubiger: Die Gläubiger sind verpflichtet, auf ihre Kosten dem Schuldner zur Vorbereitung des Forderungsverzeichnisses eine schriftliche Aufstellung ihrer, gegen diesen gerichteten, Forderungen zu erteilen; insbesondere haben sie ihm die Höhe ihrer Forderungen und deren Aufgliederung in Hauptforderung, Zinsen und Kosten anzugeben. Dieser Auskunftsanspruch ist sogar einklagbar. Wenn der Schuldner (i.d.R. vertreten durch einen Rechtsanwalt oder eine Schuldnerberatungsstelle) eine entsprechende Aufforderung an die Gemeinschaft stellt und auf der Erfüllung besteht, muss sich die WEG bzw. der Verwalter dem Verlangen beugen und die gewünschte Erklärung (Aufstellung der Forderungen) abgeben.
3. Der vorläufige Insolvenzverwalter
Rz. 66
Der Ablauf des "normalen" Insolvenzverfahrens (Unternehmensinsolvenz) kann hier nicht im Detail dargestellt werden. Nur dessen Beginn ist kurz zu erörtern, weil er die Gemeinschaft mitunter vor brisante Fragen stellt.
Rz. 67
Beispiel
Das Objekt ist nicht fertig gestellt und es sind umfangreiche Restmängel vorhanden. Die Bauträger-GmbH ist noch Eigentümerin zahlreicher unverkaufter Einheiten. Der WEG-Verwalter erfährt von folgendem Beschluss des Amtsgerichts (Insolvenzgericht): "Im Verfahren über den eigenen Antrag der Bauträger-GmbH auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird zur Sicherung des Schuldnervermögens gem. § 21 Abs. 1 und 2 InsO vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird Rechtsanwalt Dr. Schlau bestellt. Es wird angeordnet, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Weitere Rechte und Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters … (Einsichtnahme- und Betretungsrecht, Einzug von Forderungen und Entgegennahme eingehende Gelder, Verfügungsmacht über Konten usw.)". Der WEG-Verwalter fragt nach den Rechtsfolgen dieses Beschlusses.
Rz. 68
Der insolvenzrechtliche Hintergrund: Dem Insolvenzantrag folgt das Eröffnungsverfahren, das seinen...