Rz. 13

Es ist völlig unbestritten, dass die Aufklärungs- und Hinweispflicht zu einer der wichtigsten Amtspflichten auch im Zwangsversteigerungsverfahren zählt.[24] Die Grenzen der Hinweis- und Belehrungspflicht werden durch die verfassungsrechtliche Neutralitätspflicht des Rechtspflegers gezogen.[25]

 

Rz. 14

Wo, wann, wer zu belehren ist und welche konkreten Hinweise in welcher Verfahrenssituation durch das Versteigerungsgericht zu geben sind, wird immer eine Gratwanderung zwischen den unterschiedlichen Interessen der Beteiligten bleiben. Ein fehlender Hinweis oder eine mangelnde Aufklärung führt jedoch regelmäßig zur Zuschlagsversagung. Daher kann eigentlich nur geraten werden, besser einmal zu viel aufzuklären als einmal zu wenig.

 

Rz. 15

 

Beispiele aus der Rechtsprechung

(1) Die geschiedene Ehefrau beantragte die Durchführung der Teilungsversteigerung. Bei einem Gesamtwert des Grundstücks von 144.000,00 DM blieb eine Grundschuld von nominal 34.000,00 DM bestehen, die mit 20.000,00 DM valutiert war. Im Termin war nur der geschiedene Ehemann erschienen, der mit 2.000,00 DM wenig mehr als das geringste Gebot geboten hatte und den Zuschlag erhielt.

In dieser Verfahrensweise liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG; die Ehefrau hätte darauf hingewiesen werden müssen, dass das zuletzt abgegebene Gebot und der damit durch die Versteigerung zu erzielende Erlös in keinem Verhältnis zum Wert des Grundstücks steht.[26]

(2) Wegen einer Forderung von rund 8.600,00 DM wurde das Grundstück im Wert von 95.000,00 DM zu einem Meistgebot von 10.500,00 DM versteigert. Die Schuldnerin konnte aufgrund ihres Alters und einer schweren Gehbehinderung den Zwangsversteigerungstermin nicht wahrnehmen.

Der Zuschlag hätte nicht erteilt werden dürfen, bevor nicht der Schuldnerin ausreichend Gelegenheit gegeben worden wäre, einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen, § 765a ZPO.[27]

(3) Erst mit der Zuschlagserteilung entschied das Versteigerungsgericht über einen seit Monaten vorliegenden Einstellungsantrag des Schuldners gem. § 30a ZVG.

Hierin liegt ein Verstoß gegen den grundrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz.[28]

(4) Bei der Auseinandersetzungsversteigerung einer Erbengemeinschaft betrug der Einheitswert des Grundstücks 11.000,00 DM, ein Verkehrswert war nicht festgesetzt worden. Auf das Mindestgebot von 633,04 DM wurde der Zuschlag auf ein Gebot von 650,00 DM erteilt. Im Termin waren aber nicht alle Miterben erschienen.

Der Zuschlag hätte nicht sofort im Versteigerungstermin erteilt werden dürfen, vielmehr hätte den nicht erschienenen Miteigentümern Gelegenheit gegeben werden sollen, von geeigneten Rechtsbehelfen zum Schutz ihres Eigentums Gebrauch zu machen. Der Zuschlag hätte in einem besonderen Verkündungstermin erteilt werden müssen.[29]

(5) Erkennt das Gericht bei der Abgabe eines Gebotes für eine juristische Person einen zwei Monate alten beglaubigten Handelsregisterauszug nicht mehr als ausreichend an und hängt hiervon die Zulassung eines erheblich höheren als des vorherigen Gebots ab, soll das Gericht verpflichtet sein, beim Registergericht Rückfrage wegen der Vertretungsmacht zu halten.[30]

(6) Im Termin blieb das Gebot des Bieters über 160.000,00 DM unberücksichtigt, da ein Beteiligter Sicherheit verlangte. Der Bieter verließ daraufhin den Sitzungssaal, um sich den notwendigen Sicherheitsbetrag bei einer nahe gelegenen Bank zu beschaffen. Nach seiner Rückkehr war die Bieterstunde bereits geschlossen, der Zuschlag wurde auf ein Meistgebot eines Dritten über 165.000,00 DM erteilt.

Da das Versteigerungsgericht die Bieterstunde nicht verlängert hatte, um dem Bieter Gelegenheit zu geben, die erforderliche Sicherheitsleistung zu besorgen, wurde hierin eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs und der Aufklärungspflicht gesehen.[31]

(7) Löst der bestrangig betreibende Gläubiger aus der Rangklasse 4 des § 10 Abs. 1 ZVG nach Schluss der Versteigerung den bestrangig betreibenden Gläubiger der Rangklasse 3 ab, führt die dann erfolgte Einstellungsbewilligung aus dieser Rangposition nicht stets zur Zuschlagsversagung. Vor Erteilung des Zuschlags ist jedoch der Meistbietende darauf hinzuweisen, wenn er ersichtlich davon ausging, dass er durch die Ablösung den Zuschlag vereiteln würde.[32]

(8) Ist dem Rechtspfleger eine Unrichtigkeit des Verkehrswertgutachtens (hier: Ausweisung der Bruttomieten irrig als Nettomieten) bekannt, hat er die Bietinteressenten, die regelmäßig ihre Investitionsüberlegungen vorwiegend auf dem Gutachten aufbauen, auf diesen Fehler hinzuweisen.[33]

(9) Im Grundbuch sind zwei Grundpfandrechte eingetragen unter III/1 und III/2. Der Gläubiger Nr. 1 gibt im Termin keine Erklärung ab, der Zuschlag wird dem Gläubiger Nr. 2 auf ein Meistgebot in Höhe etwa des geringsten Gebots erteilt; hierbei wurde der Ausfall seines Rechts hinzugerechnet, § 85a Abs. 3 ZVG. Auf das erlöschende Recht des besserrangigen Gläubigers Nr. 1 entfiel nur ein ganz geringer Betrag.

Das Versteigerungsgericht hat in diesem Fall g...

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