Rz. 4
Die lange Übergangsfrist von gut zwei Jahren bis zum 1.7.2023 soll den Bundesländern die Möglichkeit geben, ihre Landesstiftungsgesetze an das neue Bundesrecht anzupassen. Die bisherigen Landesstiftungsgesetze sind ersichtlich in wesentlichen Teilen überholt und obsolet (derogiert nach Art. 31 GG: "Bundesrecht bricht Landesrecht"), und zwar insbesondere bei den Landesregelungen zu Satzungs- und Zweckänderungen sowie betreffend Zulegungen und Zusammenlegungen. Hier sollten Zweifelsfragen durch "alte" Gesetzestexte, die nicht zum neuen Stiftungsrecht passen, vermieden werden.
Hüttemann/Rawert haben sich dankenswerterweise auch mit den Konsequenzen aus dem neuen Stiftungsrecht im BGB für die Landesstiftungsgesetze näher befasst. Bereits 2002 hatten beide Autoren einen grundlegenden Modellentwurf für ein Landesstiftungsgesetz entwickelt. Diesen Entwurf haben sie nach dem neuen Stiftungsrecht fortentwickelt und mit Blick auf die umfangreichen BGB-Neuregelungen gestrafft.
Rz. 5
Zudem ist bekanntlich das ursprünglich vom Gesetzgeber angestrebte "Konzept der Errichtungssatzung" auf ehebliche fachliche Kritik gestoßen (vgl. § 3 Rdn 9 ff.). Dieses Konzept ist deshalb im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf Empfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz gestrichen worden.
Rz. 6
Nach dem Gesetzestext sind auch auf die bereits vor dem 1.7.2023 bestehenden Stiftungen nach Inkrafttreten der Gesetzesänderungen die §§ 82a–88 des BGB in der am 1.7.2023 geltenden Fassung anzuwenden. Damit stellt sich auf den ersten Blick die Frage, ob hier eine belastende Rückwirkung im Sinne einer echten oder unechten Rückwirkung vorliegt und ob eine solche zulässig ist. Das ist ein ausgesprochen vielschichtiges Thema.
Tatsächlich stehen durch die Streichung des Konzeptes der "Errichtungssatzung", worauf auch Hüttemann/Rawert zu Recht hinweisen, Rückwirkungsfragen und damit zugleich umgehende Satzungsanpassungsfragen bei genauer Betrachtung nicht mehr im Raum. Nur bei § 85 Abs. 4 S. 1 BGB n.F. besteht ggf. Handlungsbedarf. Wenn nämlich die Gesetzesneuregelung zu den Voraussetzungen von Satzungsänderungen (§ 85 Abs. 1–3 BGB n.F.) dem historischen ausdrücklichen oder mutmaßlichen Stifterwillen widerspricht, wäre wohl bei einer strengen Lesart eine dem Stifterwillen entsprechende Änderungsbeschränkung noch vor dem Inkrafttreten des neuen Stiftungsrechts in der Stiftungssatzung festzuschreiben. Das Stiftungsgeschäft im engeren Sinne ist nachträglich nicht zu ändern, allerdings sind wir der Auffassung, dass der Begriff des Stiftungsgeschäfts in den Neuregelungen nicht eng auszulegen ist, sondern die Stiftungsatzung (wie auch bisher) Teil des Stiftungsgeschäftes ist (Arg. § 81 Abs. 1 BGB n.F.: "Im Stiftungsgeschäft muss der Stifter […] der Stiftung eine Satzung geben, die […]").
Oftmals wird auch das in der Praxis keine Rolle spielen, denn nach § 83 Abs. 2 BGB n.F. ist der historische ausdrückliche und hilfsweise mutmaßliche Wille des Stifters von den Stiftungsorganen und auch von den zuständigen Behörden zu beachten, und zwar auch bei der Auslegung der Stiftungsatzung. Die praxisgerechte und nicht "förmelnde" Auslegungen von Stiftungssatzungen im Sinne des mutmaßlichen Stifterwillens vorausgesetzt, folgen wir Hüttemann/Rawert in ihrem Befund, dass "in aller Regel" durch das neue Stiftungsrecht keine Bedarf für Satzungsänderungen ausgelöst wird.
Rz. 7
In einem Punkt hat sich der Gesetzgeber mit einer Rückwirkungsfrage ganz ausdrücklich befasst: Bei den Regelungen über die Anfallberechtigung in § 87c S. 1–3 BGB n.F. soll bei den bereits bestehenden Stiftungen ("Altstiftungen") nicht nur auf die "Satzung", sondern weiterhin, wie in der Vorgängervorschrift in § 88 BGB n.F., auf die "Verfassung" abgestellt werden. Nach der Gesetzesbegründung sind solche Anfall-Regelungen nicht nur in Stiftungssatzungen getroffen worden, sondern können auch in anderen Teilen des Stiftungsgeschäfts oder, wenn die Stiftungen vor dem 1.1.1900 errichtet wurden, sogar in anderen Errichtungsakten enthalten sein. Der Gesetzgeber gewährt also insoweit Vertrauensschutz für Altregelungen.