Rz. 24

Einer Erklärung nach außen gehen allerdings regelmäßig Abstimmungen innerhalb der Erbengemeinschaft voraus. Ein Gleichlauf der Interessen der Miterben wird mit einem Bezug zum Gesellschaftsrecht zumindest bei der laufenden Verwaltung grundsätzlich angenommen,[29] so dass ein Ausschluss nach §§ 1795, 181 BGB nicht greifen soll. Bei "einem gewöhnlichen Gesellschafterbeschluss [ist] das Ziel der verbandsinternen Willensbildung nach dem gesetzlichen Leitbild des § 705 BGB nicht in der Austragung individueller Interessengegensätze zu sehen, deren Zusammentreffen in derselben Person § 181 BGB verhindern will, sondern in der Verfolgung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks auf dem Boden der bestehenden Vertragsordnung".[30]

Dies wurde durch die frühere "formale Betrachtungsweise"[31] des BGH gestützt. Nach einer Entscheidung vom 23.2.1968 sollte noch "davon auszugehen [sein], dass das Verbot des In-Sich-Geschäfts sowohl in der Grundform des § 181 BGB als auch in der familienrechtlichen Erweiterung des § 1795 BGB eine formale Ordnungsvorschrift darstellt, bei der ein Interessengegensatz zwischen den mehreren von dem Vertreter repräsentierten Personen zwar gesetzgeberisches Motiv, aber zur Tatbestandserfüllung grundsätzlich weder erforderlich noch ausreichend ist."[32] Ausschlüsse vom Stimmrecht wurden nur zurückhaltend bejaht. Der BGH verwies auf die wenigen Fälle, für die das BGB einen Ausschluss vorsieht.[33]

Der Vorteil einer zurückhaltenden Anwendung der §§ 1795, 181 BGB liegt in der daraus folgenden Leichtigkeit des Rechtsverkehrs.[34] Für den Betreuten zeigen sich Schwächen in seinem Schutz.

 

Rz. 25

Zwangsläufig erscheint die Übernahme der Gedanken aus dem Gesellschaftsrecht für die Erbengemeinschaft aber auch an dieser Stelle nicht. Im Gegensatz zu einer Gesellschaft ist das Ziel der Erbengemeinschaft die eigene Auflösung. Die Miterben können daher bei der Verwaltung verschiedene Interessen haben. Wesentlich ist oft der Gegensatz zwischen den Miterben, die eine schnelle Auseinandersetzung wünschen, und den anderen Miterben, die sich eine langsame Auseinandersetzung leisten können und für wirtschaftlich sinnvoll halten. Über die Zustimmung oder Ablehnung einer Verwaltungsmaßnahme entscheidet ein Miterbe regelmäßig vor diesem Hintergrund. Ein "Interessengleichlauf" unter den Miterben ist daher nicht als Grundsatz anzunehmen.

 

Rz. 26

Zudem hat sich der Betreute regelmäßig nicht selbst in die Hände des Betreuers begeben, wie etwa ein Vollmachtgeber, und kann den Betreuer selbst meist nicht mehr laufend oder nachträglich kontrollieren, wie es etwa Eltern als Vormünder ihrer Kinder erwarten müssen, bei denen grundsätzlich zudem noch eher von einem Interessengleichlauf ausgegangen werden kann.

Schließlich sieht auch der BGH den § 181 BGB inzwischen "nicht mehr ohne Einschränkungen als formale Ordnungsvorschrift" an.[35] Eine Differenzierung ist also möglich.

 

Rz. 27

Nach hier vertretener Ansicht sollte der Schutz des Betreuten im Vordergrund stehen und ein betreuender Miterbe von der Vertretung des Betreuten in der Erbengemeinschaft ausgeschlossen sein.

In der praktischen Umsetzung sind keine unüberwindbaren Hindernisse zu erwarten. Bei einer Betreuung ist das Betreuungsgericht ohnehin schon involviert. Eine Differenzierung und Aufteilung der Aufgabenkreise durch eine Ergänzungsbetreuung ist unschwer möglich (etwa Aufgabenkreis "Wahrnehmung der Rechte in der Erbengemeinschaft/bei der Abstimmung der Erbengemeinschaft über die Frage […]").

[29] Zu gesellschaftsrechtlichen Fragen: BGH, Urt. v. 14.12.1967 – II ZR 30/67, BGHZ 49, 183–197; zur Differenzierung von ordentlichen und außerordentlichen Verwaltungsmaßnahmen: Damrau/Tanck/Rißmann, § 2038 Rn 14–19.
[32] BGH, Urt. v. 23.2.1968 – V ZR 188/64, BGHZ 50, 8–14 m.w.N.; teilw. krit. Besprechung Häsemeyer, FamRZ 1968, 502–505; weiter differenzierend: BGH, Urt. v. 18.9.1975 – II ZB 6/74, BGHZ 65, 93–10 = NJW 1976, 49–51.
[33] Kein Ausschluss, wenn Mitglieder der Erbengemeinschaft auch Gesellschafter einer GmbH sind, mit der ein Rechtsgeschäft geschlossen werden soll, BGH, Urt. v. 29.3.1971 – III ZR 255/68, BGHZ 56, 47–56 m.w.N.
[34] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.8.1984 – 3 W 256/84, NJW 1985, 390; entsprechend: Häsemeyer, FamRZ 1968, 502, 505.
[35] BGH, Urt. v. 13.6.1984 – VIII ZR 125/83, BGHZ 91, 334–337, 336 m.w.N.

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