1. Einleitung
Rz. 57
Grundsätzlich ist der Widerruf der Vollmacht jederzeit möglich. Das Recht zum Widerruf geht auf den oder die Erben über. Dies ist inzwischen allgemein anerkannt, was es aber nicht immer war. Umstritten waren besonders Sachverhalte, bei denen der Bevollmächtigte nach dem Erbfall eine Schenkung an sich selbst vornehmen wollte.
Anlässlich eines Falles, in dem es um den Vollzug einer Schenkung nach dem Tod des Erblassers ging, befasste sich der BGH mit der Frage, ob ein zugrunde liegender Auftrag und die damit verbundene Vollmacht von dem Erben widerrufen werden könne. Der BGH setzte sich mit der Literatur zu diesem Thema auseinander und bejahte das Widerrufsrecht des Erben. Aus Gründen der Rechtssicherheit müsse es hingenommen werden, wenn es "zu zufälligen Ergebnissen" komme, je nachdem, ob der Widerruf vor dem Vollzug erklärt wurde oder nicht.
2. Widerruf gegenüber Dritten
Rz. 58
Nach der – zumindest in der Kommentarliteratur – überwiegenden Meinung hat jeder Miterbe das Recht zum Widerruf. Die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten für die anderen Miterben wird dadurch aber nicht berührt und bleibt daher bestehen. Eine wirksame Vertretung ist insoweit weiter möglich. Der Bevollmächtigte kann nach dem Widerruf eines Miterben folglich nicht mehr über einzelne Nachlassgegenstände verfügen. Er muss dann mit den entsprechenden Miterben zusammen handeln.
Rz. 59
Die schon von Eule vertretene Gegenmeinung hat Madaus weiter unterstützt: Danach ist der Widerruf eine Verwaltungsmaßnahme, die der Erbengemeinschaft gem. § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB "grundsätzlich nur gemeinschaftlich" zusteht. Zunächst würde durch die Vollmacht nicht jeder Erbe direkt und einzeln verpflichtet, sondern der Nachlass. Da der Bevollmächtigte zur Verfügung allein über den Nachlass als "gesamthänderisches Sondervermögen der Miterben" berechtigt sei, komme eine Repräsentation der einzelnen Miterben nicht in Betracht. Mit diesem Argument könne das Widerrufsrecht jedes einzelnen Erben für sich nicht begründet werden.
Rz. 60
Die von der Kommentarliteratur aufgenommene andere Ansicht bezieht sich zum Teil auf ein Urteil des BGH vom 24.9.1959. Nach Madaus sei die "Bemerkung" des BGH in dem Urteil "missverständlich".
Der BGH machte – folgt man der zutreffenden Ansicht von Eule und Madaus "leider" –allerdings keine "Bemerkung" sondern stellte seine Ansicht klar und ausführlich dar:
Zitat
"Entscheidend für die Richtigkeit der vom Kammergericht vertretenen Ansicht ist vielmehr die rechtliche Eigenart der Erbengemeinschaft, die lediglich die gesamthänderische Zusammenfassung der einzelnen Erben darstellt und im Rechtsverkehr nicht wie die Personalgesellschaft als ein geschlossenes Ganzes auftritt. Das hat zur Folge, dass ein Vertreter nicht die Erbengemeinschaft als solche, sondern immer nur die einzelnen Erben vertreten kann. Die Vollmacht, die Erben einem Miterben erteilen, ist also im Rechtssinn nicht eine einheitliche Vollmacht, sondern eine Vielzahl von Vollmachten. Dieser Beurteilung entspricht es, dass in einem Fall dieser Art der Widerruf der Vollmacht nicht eine Verwaltungsmaßnahme im Sinne von § 2038 BGB ist, die nur von allen Erben gemeinschaftlich vorgenommen werden könnte, sondern dass der Widerruf eine Angelegenheit eines jeden einzelnen Miterben ist, den jeder jeweils mit Wirkung für sich aussprechen kann."
Wichtiger scheint eine andere Differenzierung zu sein, auf die Madaus lediglich in einer Fußnote hinweist: In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es nicht um eine vom Erblasser erteilte trans- oder postmortale Vollmacht. Dort hatten Miterben einem von ihnen nach dem Erbfall Vollmachten erteilt. Dass dies jeweils Einzelvollmachten sind, ist schon aufgrund der auf den eigenen Erbanteil begrenzten Verfügungsmacht richtig.
Rz. 61
Bei der hier interessierenden Konstellation wird aber in der Vollmacht eine Ermächtigung des Erblassers fortgeführt. Dieser konnte nur den Nachlass und damit die Erbengemeinschaft insgesamt verpflichten. Die Entscheidung des BGH sagt nichts Gegenteiliges. Sie wird teilweise missverstanden, wenn sie auch auf transmortale Vollmachten bezogen wird. Eine Aussage zu solchen enthält das Urteil aber nicht.
Rz. 62
Es bleibt eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahr 1925. Dort wird ausgeführt, dass der Miterbe entscheiden können müsse, ob er selbst verwaltend mitwirken oder sich vertreten lassen wolle. Dagegen bringen Eule und Madaus zutreffend vor, dass der Bevollmächtigte seine Rechtsposition vom Erblasser erhielt. Seine Befugnis gilt nach dem Tod gegenüber der Erbengemeinschaft. Diese muss sie gegen sich gelten lassen – was allgemein anerkannt ist – und kann sie nur als solche widerrufen, "weil der Bevollmächtigte ja überhaupt nicht den einzelnen Erben, sondern die Erbengemeinschaft vertritt; denn nur diese ist Trägerin ...