A. Einleitung
Rz. 1
Das Betreuungsgesetz trat am 1.1.1992 in Kraft. Der Begriff der "Vorsorgevollmacht" hat es gerade erst geschafft, anerkannt und seit dem 1.7.2005 das erste Mal im BGB genannt zu werden. Von der Warte des Erbrechtlers aus steckt das, was man unter dem Begriff des "Vorsorgerechts" zusammenfassen kann, vielleicht nicht mehr in den Kinderschuhen, aber noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Allerdings ist die Relevanz des damit umschriebenen Rechtsgebietes sowohl quantitativ als auch qualitativ erheblich. Erblasser stehen vor dem Tod oft unter Betreuung oder werden durch einen Vorsorgebevollmächtigten vertreten. Miterben werden immer öfter durch einen Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigten vertreten, etwa weil sie als Ehegatten oder Geschwister des Erblassers derselben, gehobenen Altersgruppe angehören.
Rz. 2
Soweit noch wenig Rechtsprechung und juristische Literatur vorliegen, kann beim Betreuungsrecht auf Ausführungen zum Recht der Minderjährigen zurückgegriffen werden (siehe auch § 12), teilweise sind Fragen als ungeklärt zur Kenntnis zu nehmen. Im Folgenden werden grundsätzliche Berührungspunkte zwischen dem Betreuungsrecht und dem Recht der Erbengemeinschaft sowie letzterem und Vorsorgevollmachten beleuchtet.
B. Betreuung
I. Einleitung
Rz. 3
Die gestiegene Lebenserwartung verlängert grundsätzlich auch die Zeitspanne, in der ein Mensch auf die Unterstützung anderer zur Besorgung von Geschäften angewiesen sein kann. Es ist allgemein mehr Vermögen zu verwalten. Die Organisation des täglichen Lebens wird durch Verrechtlichung schwieriger. Ältere Menschen werden weniger von Verwandten unterstützt, da die Kinderzahl gesunken und die Mobilität gestiegen ist. Diese und andere Gründe führen zu immer mehr Betreuungsverfahren. Es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Erblasser vor dem Tod betreut wurde und – vorliegend vom besonderen Interesse – dass für einen Miterben ein Betreuer bestellt ist.
II. Betreuung und Geschäftsfähigkeit
1. Abgrenzung
Rz. 4
Das BGB setzt die Geschäftsfähigkeit eines Volljährigen voraus und regelt nur die Geschäftsunfähigkeit (§ 104 BGB) sowie die beschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger (§§ 106–113 BGB). Ein Erwachsener kann gem. § 104 Nr. 2 BGB aufgrund "krankhafter Störung der Geistestätigkeit" geschäftsunfähig sein. Die Anordnung einer rechtlichen Betreuung gem. §§ 1896 ff. BGB für einen Volljährigen setzt dessen Unfähigkeit zur Besorgung eigener Angelegenheiten voraus. Die Bedingungen für die Geschäftsunfähigkeit und die Betreuungsanordnung können simultan vorliegen – müssen es aber nicht.
Rz. 5
In einem Betreuungsverfahren wird (wenn nicht ausnahmsweise ein Attest oder ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen ausreichend sind, §§ 281 f. FamFG) ein medizinisches Gutachten über die Betreuungsbedürftigkeit eingeholt, § 280 FamFG. Die Geschäftsfähigkeit wird regelmäßig im Beweisbeschluss nicht genannt, so dass zu ihr auch keine Feststellungen getroffen werden. Nur wenn sich der Volljährige gegen die Betreuerbestellung wehrt, wird gem. § 1896 Abs. 1a BGB der freie Wille geprüft, dessen Voraussetzungen weitgehend mit der Geschäftsfähigkeit deckungsgleich sind. Im Übrigen kann eine Betreuung auch bei geschäftsfähigen Volljährigen angeordnet worden sein.
2. Betreuungsbedürftiger Miterbe
Rz. 6
Aus der Möglichkeit, dass Geschäftsfähigkeit und Betreuung auseinanderfallen, ergibt sich beim Umgang mit Betreuten oder betreuungsbedürftigen Menschen für andere Personen – wie Miterben – ein zentrales Problem. Auch ein Betreuter kann, wenn er geschäftsfähig ist, einen Auseinandersetzungsvertrag wirksam schließen. Allerdings kann ein Geschäftsunfähiger unbetreut sein, etwa wenn die Betreuung nicht erforderlich ist. Beides führt zu Unsicherheiten und für den Geschäftspartner (etwa den Miterben) ist der unerkannt Geschäftsunfähige ein Debakel.
Rz. 7
In der anwaltlichen Vertretung eines Erben sollten Anzeichen der Geschäftsunfähigkeit eines Miterben alarmierend sein. Ein Zeugnis über die Geschäftsfähigkeit kann von einem Miterben nicht verlangt werden. Im Zweifel sollte daher für den Miterben eine Betreuung beim Betreuungsgericht angeregt werden; örtlich zuständig ist gem. § 272 Abs. 1 Nr. 2 FamFG das Gericht, in dessen Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sie kann auch ein Versuch sein, einen verlässlichen Ansprechpartner zu erhalten, wenn der Miterbe selbst etwa aus gesundheitlichen Gründen mit der Auseinandersetzung überfordert ist.
Der Aufgabenkreis kann di...