1. Überblick
Rz. 240
Nicht oder anderweitig anhängige Gegenstände können in verschiedenster Weise in ein gerichtliches Verfahren mit einbezogen werden.
Rz. 241
In jedem Fall entsteht immer eine Verfahrensgebühr aus dem Wert der weiteren anhängigen Gegenstände, da durch die Einbeziehung auch insoweit das Geschäft betrieben wird (Vorbem. 3 Abs. 2 VV). Die Verfahrensgebühr aus dem Mehrwert entsteht dann zu 0,8 (Nr. 3101 VV), wobei gegebenenfalls ein Abgleich nach § 15 Abs. 3 RVG vorzunehmen ist.
Rz. 242
Soweit über die im Verfahren nicht anhängigen Gegenstände verhandelt oder erörtert wird oder Besprechungen zur Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens geführt werden, entsteht aus deren Wert auch eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV) (siehe Rdn 73 ff.).
Rz. 243
Lediglich für die bloße Protokollierung nicht anhängiger Gegenstände wird die Terminsgebühr nicht ausgelöst (Anm. Abs. 3 zu Nr. 3104 VV) (siehe Rdn 256).
Rz. 244
Soweit über nicht oder anderweitig anhängigen Gegenstände auch eine Einigung erzielt wird, entsteht insoweit auch die Einigungsgebühr. Deren Höhe hängt davon ab, ob die weiter gehenden Gegenstände nicht oder in einem anderen Verfahren anhängig sind (siehe Rdn 261).
Rz. 245
Zu beachten sein können in diesen Fällen Anrechnungsvorschriften, wenn die mit einbezogenen Gegenstände anderweitig anhängig sind oder werden. Anzurechnen ist
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die Verfahrensgebühr aus dem Mehrwert, gegebenenfalls der nach Kürzung gem. § 15 Abs. 3 RVG verbleibende Betrag (Anm. zu Nr. 3101 VV), |
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die Terminsgebühr aus dem Mehrwert (Anm. zu Nr. 3104 VV). |
Von der Darstellung der Anrechnungen in einem anderen Verfahren oder bei einer außergerichtlichen Vertretung wird an dieser Stelle abgesehen. Insoweit werden diese Anrechnungsfälle in § 14 Rdn 1 ff. und § 8 Rdn 74 f. behandelt.
Rz. 246
Darüber hinaus kann auch eine Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen sein, wenn die einbezogenen Gegenstände auch Gegenstand einer außergerichtgerichtlichen Vertretung sind oder werden.
2. Verhandlungen vor Gericht über in diesem Verfahren nicht anhängige Gegenstände ohne Einigung
Rz. 247
Werden lediglich Verhandlungen oder Erörterungen über nicht in diesem Verfahren anhängige Gegenstände geführt, wird also lediglich verhandelt, ohne dass es zu einer Einigung kommt, so entsteht zwar die volle 1,2-Terminsgebühr (arg. e. Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV); es fällt jedoch nur eine 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Mehrwert an, und zwar nach Nr. 3101 Nr. 2, 1. Alt. VV. Zu beachten ist gegebenenfalls § 15 Abs. 3 RVG.
Rz. 248
Dieser Wert der nicht anhängigen Gegenstände ist auf Antrag im Verfahren nach § 33 RVG vom Gericht festzusetzen.
Rz. 249
Zur Anrechnung, wenn die mit einbezogenen Gegenstände in einem anderen Verfahren anhängig sind oder später anhängig gemacht werden oder wenn sie später Gegenstand einer außergerichtlichen Vertretung werden, siehe § 14 Rdn 1 ff. und § 8 Rdn 74.
Beispiel 154: Bloßes Verhandeln über nicht anhängige Ansprüche ohne Einigung
In einem Rechtsstreit über 10.000,00 EUR versuchen die Parteien, sich unter Mitwirkung ihrer Anwälte im Termin über die Klageforderung und über weiter gehende nicht anhängige 5.000,00 EUR zu einigen. Eine Einigung kommt nicht zustande. Wegen der 5.000,00 EUR war der Anwalt außergerichtlich nicht beauftragt.
Aus dem Wert der anhängigen Ansprüche (10.000,00 EUR) entstehen eine 1,3-Verfahrensgebühr und eine 1,2-Terminsgebühr.
Aus dem Wert der nicht anhängigen Gegenstände (5.000,00 EUR) entsteht unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG nur eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2, 1. Alt. VV. Darüber hinaus wird auch eine Terminsgebühr ausgelöst, da es für deren Entstehung nicht darauf ankommt, ob die Gegenstände, über die verhandelt oder erörtert wird, anhängig sind (arg. e Anm. Abs. 2 zu Nr. 3104 VV).
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
798,20 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 Nr. 2 VV |
267,20 EUR |
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(Wert: 5.000,00 EUR) |
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gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als |
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933,40 EUR |
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1,3 aus 15.000,00 EUR |
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3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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861,60 EUR |
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(Wert: 15.000,00 EUR) |
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4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.815,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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344,85 EUR |
Gesamt |
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2.159,85 EUR |
Zur Anrechnung, soweit über die weiter gehenden Gegenstände ein gerichtliches Verfahren später noch anhängig wird oder soweit eine Geschäftstätigkeit nachfolgt, siehe § 14 Rdn 1 ff. und § 8 Rdn 74.
Rz. 250
War der Anwalt hinsichtlich der in die Verhandlungen mit einbezogenen Gegenstände außergerichtlich bereits beauftragt, ist die vorgerichtlich angefallene Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig anzurechnen.
Rz. 251
Bei dieser Variante spielt es keine Rolle, ob die mit einbezogenen Ansprüche gar nicht anhängig sind oder anderweitig anhängig. Nach dem Wortlaut der Nr. 3101 Nr. 2, 1. Alt VV dürfen die Gegenstände lediglich in diesem Verfahren nicht anhängig sein; sie können dagegen in einem anderen Verfahren anhängig sein.
Beispiel 155: Bloßes Verhandeln auch über anderweitig anhängige Ansprüche