Rz. 87
Gegen die Urteile des Amtsgerichts als erster Instanz in Wohnungseigentumssachen gem. § 43 Abs. 2 WEG ist die Berufung statthaft. Zuständiges Berufungsgericht ist grundsätzlich das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht (§ 72 Abs. 2 GVG). Anders ausgedrückt: Statt des Oberlandesgerichts ist das ortsgleiche Landgericht als zentrales Berufungsgericht in WEG-Sachen zuständig. Die Zuständigkeitskonzentration führt zu einer entsprechenden Spezialisierung der jeweiligen Berufungsgerichte und somit – so jedenfalls die Hoffnung des Gesetzgebers – zu einer Qualitätssteigerung. Landesrechtlich kann auch ein anderes Landgericht im OLG-Bezirk bestimmt werden (§ 72 Abs. 2 S. 3 GVG). Wenn das Amtsgericht in einem Urteil über mehrere Ansprüche entschieden hat (die in objektiver oder subjektiver Klagehäufung geltend gemacht wurden), ist zwecks Vermeidung divergierender Berufungsentscheidungen das WEG-Berufungsgericht auch dann einheitlich zuständig, wenn nur einer der Ansprüche eine WEG-Sache i.S.v. § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG zum Gegenstand hat. Um die Berufung beim zuständigen Berufungsgericht einzulegen, muss der Kläger natürlich erkennen, dass es sich bei dem Gegenstand des Rechtsstreits überhaupt um eine WEG-Sache gem. § 43 Abs. 2 WEG handelt, was nicht immer einfach ist. Auf eine Rechtsmittelbelehrung, die ein konkretes Berufungsgericht (fehlerhaft) bezeichnet, darf sich eine Partei (bzw. ihr Rechtsanwalt) verlassen; auf die Bezeichnung im erstinstanzlichen Urteil als "Wohnungseigentumssache" aber nicht! Wenn das Amtsgericht den Rechtsstreit zu Unrecht als WEG-Sache bezeichnet, ist trotzdem das "normale" Berufungsgericht zuständig. Es gibt keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn die Berufung stattdessen beim WEG-Berufungsgericht eingelegt wurde; umgekehrt (Amtsgericht verkennt die Eigenschaft als Wohnungseigentumssache) gilt das Gleiche. Ist der Rechtsanwalt unsicher, kann er die Berufung ohne Kostennachteil sowohl beim allgemein zuständigen als auch bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG zuständigen Gericht einlegen.
Rz. 88
In Fällen mit Auslandsbeteiligung, wenn also ein Miteigentümer im Ausland wohnhaft ist, wäre gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG das Oberlandesgericht zuständig. § 72 Abs. 2 GVG ist aber vorrangig, sodass es bei WEG-Streitigkeiten trotz Auslandsbeteiligung bei der Zuständigkeit des WEG-Konzentrationsgerichts als Berufungsgericht bleibt.
Rz. 89
Stehen auf Kläger- oder Beklagtenseite mehrere Personen als notwendige Streitgenossen (→ § 13 Rdn 20, → § 13 Rdn 29) kann jeder gegen ein Urteil Berufung einlegen.
Beispiel
A und B führten mit Erfolg eine Anfechtungsklage gegen die Gemeinschaft. Die Gemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, will das Urteil hinnehmen, Wohnungseigentümer C hingegen nicht. Er tritt dem Rechtsstreit auf Seiten der Gemeinschaft bei und legt Berufung ein. Dazu ist C als Nebenintervenient aus eigenem Recht befugt und muss sich nicht mit der Gemeinschaft abstimmen. Die Gemeinschaft wird somit wider Willen Partei des Berufungsverfahrens; sie ist immer noch Beklagte, zugleich aber Berufungskläger: "Die Streitgenossen, die von der Einlegung eines Rechtsmittels abgesehen haben, sind in der bisherigen Parteirolle als Kläger oder Beklagte an dem Verfahren weiter zu beteiligen". Geht die Berufung verloren, ist die Gemeinschaft gem. § 97 ZPO nicht zur (anteiligen) Tragung der Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet.
Auf Klägerseite sieht es so aus: Wird die Klage abgewiesen, kann bspw. A alleine Berufung einlegen; B wird zwar nicht Berufungsführer, bleibt aber auf Klägerseite. Bleibt die Berufung erfolglos, sind gem. § 97 ZPO nur dem A die Kosten aufzuerlegen.
Rz. 90
Die Berufung ist gem. § 511 Abs. 2 ZPO in zwei Fällen zulässig:
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Als Wertberufung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes (gemeint ist der Wert der Beschwer des Berufungsklägers) 600,00 EUR übersteigt. |
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Als Zulassungsberufung, wenn das Amtsgericht die Berufung zugelassen hat. Dazu ist das Amtsgericht verpflichtet, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine Wertberufung nicht möglich ist. |
Rz. 91
Bei der Wertberufung ist eine Besonderheit der Wertberechnung zu beachten. Der Streitwert des Berufungsverfahrens und der Beschwerdewert sind nicht zwangsläufig identisch. Der Beschwerdewert richtet sich allein nach dem vermögenswerten Interesse des Berufungsführers an der Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Bei Beschlüssen, die Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer oder sonstige bezifferte oder bezifferbare Ansprüche zum Gegenstand haben, entspricht die Beschwer dem Nennbetrag der im Streit befindlichen Positionen. Wegen der Bezifferung spielt das dahinter stehende konkrete wirtschaftliche oder gar ideelle Interesse der Parteien im Grundsatz keine Rolle. Legen mehrere unterlegene Anfech...