Rz. 39
Anfechtungsbefugt ist jeder Miteigentümer. Ein (fälschlich im Grundbuch eingetragener) "Bucheigentümer" ist kein wahrer Eigentümer und deshalb nicht anfechtungsbefugt. Ausnahmsweise kommt auch eine Prozessführung durch einen dazu ermächtigten Nichteigentümer in Betracht ("gewillkürte Prozessstandschaft"), wenn dieser daran ein eigenes rechtliches Interesse hat, wie z.B. ein Käufer (→ § 1 Rdn 24) oder ein Nießbraucher. Die Prozessstandschaft muss innerhalb der Anfechtungsfrist offen gelegt werden. Die Anfechtungsbefugnis hat nichts mit dem Stimmrecht zu tun; es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger beim betreffenden Gegenstand stimmberechtigt war. Bei einer Mehrheit von (Bruchteils-)Eigentümern einer Einheit ist jeder Miteigentümer alleine anfechtungsbefugt. Anders verhält es sich bei der BGB-Gesellschaft als Wohnungseigentümerin: Hier ist nur die Gesellschaft als Ganze, nicht deren einzelne Gesellschafter anfechtungsbefugt. Ein späteres Ausscheiden aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ändert nichts, sofern der Beschluss noch Auswirkungen auf den Anfechtungskläger hat. Wer allerdings zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits aus der Gemeinschaft ausgeschieden ist, ist an deren Beschlüsse nicht gebunden und daher nicht anfechtungsbefugt.
Rz. 40
Das Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung ist im Regelfall nicht besonders zu prüfen, sondern liegt schon deshalb vor, weil das Anfechtungsrecht nicht nur dem persönlichen Interesse des anfechtenden Wohnungseigentümers oder dem Minderheitenschutz dient, sondern dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Die Anfechtung setzt deshalb nicht voraus, dass der Kläger an der Versammlung, auf welcher die angefochtenen Beschlüsse gefasst wurden, teilgenommen hat. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Kläger durch den Beschluss persönlich betroffen ist oder sonst Nachteile erleidet. Demnach ist ein Wohnungseigentümer sogar dann anfechtungsbefugt, wenn er dem angefochtenen Beschluss selbst zugestimmt hat, sofern er die materielle Rechtswidrigkeit des Beschlusses geltend macht. Lediglich auf formelle Fehler, die in der Versammlung nicht gerügt wurden, kann der Kläger die Anfechtung nicht stützen (→ § 2 Rdn 51). Ferner kann im Einzelfall die Anfechtung ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sein. Der Vollzug eines Beschlusses lässt das Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich nicht entfallen, denn die Geltendmachung etwaiger Folgenbeseitigungsansprüche (→ § 2 Rdn 72) setzt die Ungültigerklärung des Beschlusses voraus. Der Kläger muss bzw. kann nach einem Vollzug des angefochtenen Beschlusses also nicht die Erledigung der Hauptsache erklären. Auch die Erklärung der Beklagtenseite, aus dem angefochtenen Beschluss keine Rechte herzuleiten, lässt das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen. Das Rechtsschutzinteresse entfällt nur dann, wenn ein Erfolg der Klage den Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft ausnahmsweise keinen Nutzen mehr bringen kann, wenn also feststeht, dass die Ungültigerklärung des angefochtenen Beschlusses keine Folgen haben kann, insbesondere wenn mit Sicherheit keine Auswirkungen auf etwaige Folgeprozesse zu erwarten sind.