1. Allgemeines
Rz. 5
Mit dieser Möglichkeit soll noch vor dem Eintritt in den Hauptsacheprozess der streitige Sachverhalt geklärt werden können.
§ 485 Abs. 2 ZPO:
"Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass
1. |
der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache, |
2. |
die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels, |
3. |
der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels |
festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann."
Rz. 6
Ein streitiges Verfahren darf im Falle des isolierten selbstständigen Beweisverfahrens nicht anhängig sein. Anhängigkeit läge auch vor bei laufendem Mahnverfahren und bei Stellung eines PKH-Antrags mit gleichzeitiger Einreichung der Klage. Die Parteistellung im Hauptprozess ist unerheblich.
Zielrichtung des isolierten selbstständigen Beweisverfahrens:
(1) |
Klärung von Streitfragen tatsächlicher Art durch Fachgutachten eines Sachverständigen vor Eintritt in den Hauptprozess. |
(2) |
Dadurch Prozessvermeidung. |
2. Zulässigkeitsvoraussetzung: Rechtliches Interesse
Rz. 7
Vor der Anhängigkeit eines Rechtsstreits kommt eine von einem Beweissicherungsbedürfnis unabhängige Erhebung des Sachverständigenbeweises in Betracht, und zwar nur das schriftliche Sachverständigengutachten und kein anderer Beweisantritt. Grund für den Ausschluss anderer Beweismittel: Das Gesetz will die Durchbrechung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 ZPO) im selbstständigen Beweisverfahren auf das hiervon am wenigsten betroffene schriftliche Gutachten beschränken. Gegen die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 412 ZPO ist auch im selbstständigen Beweisverfahren kein Rechtsmittel gegeben.
Hinweis
Um im konkreten Einzelfall den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung aufrecht zu erhalten, sollte das selbstständige Beweisverfahren beim Gericht des Hauptverfahrens durchgeführt werden.
Rz. 8
Voraussetzung ist lediglich, dass der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der zu treffenden Feststellung hat.
Ein solches ist insbesondere (aber nicht nur) dann anzunehmen, wenn
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die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann |
▪ |
bei drohender Verjährung die verjährungshemmende Wirkung erreicht werden soll, § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB. |
Steht die Verjährung bevor, so ist sie sehr häufig das einzige Motiv für das selbstständige Beweisverfahren und begründet damit ein rechtliches Interesse.
Rz. 9
Der Begriff des "rechtlichen Interesses" ist weit zu fassen. Dieses rechtliche Interesse ist weiter zu fassen als das Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO. Insbesondere ist es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, bereits im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. Dementsprechend kann ein rechtliches Interesse etwa dann verneint werden, wenn ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht ersichtlich ist.
Rz. 10
Das rechtliche Interesse an einem selbstständigen Beweisverfahren ist bereits dann gegeben, wenn auch nur entfernte Streitschlichtungschancen bestehen. Im selbstständigen Beweisverfahren kann ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Unternehmenswerte eines landwirtschaftlichen sowie eines Garten- und Landschaftsbaubetriebes eingeholt werden. Ziel des selbstständigen Beweisverfahrens ist die Entlastung der Gerichte von Prozessen, deren Streitfragen weniger rechtlicher als tatsächlicher Art sind und für deren Entscheidung daher das Fachgutachten eines Sachverständigen eine maßgebliche (oft sogar allein ausschlaggebende) Bedeutung hat.
3. Denkbare Varianten des selbstständigen Beweisverfahrens vor einem Rechtsstreit
Rz. 11
Die Klärung streitiger Sachverhalte vor dem Hauptprozess ist gem. § 485 Abs. 2 ZPO möglich: