Rz. 7
Zu Schwierigkeiten kann in der Praxis die häufig in Laientestamenten enthaltene Formulierung führen, nach der eine bestimmte Person nur ihren Pflichtteil erhalten soll, da es sich hierbei nicht um eine eindeutige Verfügung des Erblassers handelt. Es stellt sich daher in diesen Fällen die Frage, ob der Erblasser eine Erbeinsetzung auf die Pflichtteilsquote, eine Enterbung oder ein Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils vornehmen wollte. Folglich ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, was der Erblasser mit dieser Formulierung gemeint hat. Maßgeblich ist hierbei, ob der Erblasser den Betroffenen begünstigen oder ihm nur die gesetzliche Mindestbeteiligung an seinem Nachlass zukommen lassen wollte.
Rz. 8
§ 2304 BGB enthält für diesen Fall eine Auslegungsregel, nach welcher die Zuwendung des Pflichtteils im Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen ist. Offen bleibt, ob dem Pflichtteilsberechtigten ein Vermächtnis in Höhe seines Pflichtteils zugewendet wurde mit der Folge, dass der Bedachte den Pflichtteil aufgrund letztwilliger Verfügung fordern kann oder die Verfügung lediglich als Verweis auf das gesetzliche Pflichtteilsrecht zu deuten ist. Der praktische Unterschied bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Erb- und Verjährungsrechtes am 1.1.2010 bestand darin, dass der Pflichtteilsanspruch innerhalb von drei Jahren, ein Vermächtnisanspruch aber erst nach 30 Jahren verjährte.
Rz. 9
Der mit dem Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet gewesene Ehegatte, der weder Erbe wird noch ein Vermächtnis erhält, kann nach § 1371 Abs. 2 BGB neben dem Ausgleich des Zugewinns lediglich den kleinen Pflichtteil aus dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil verlangen. Bei Verfügungen des Erblassers, nach denen der Ehegatte auf den Pflichtteil verwiesen wird, stellt sich dennoch grundsätzlich die Frage, ob der Ehegatte den großen oder lediglich den kleinen Pflichtteil verlangen kann. Wie oben ausgeführt, kann es sich bei dem Verweis des Ehegatten auf den Pflichtteil entweder um eine Enterbung, die Zuwendung eines Vermächtnisses in Höhe des Pflichtteils oder eine Erbeinsetzung in Höhe der Pflichtteilsquote handeln. Handelt es sich bei dem Verweis des Ehegatten auf den Pflichtteil um ein Vermächtnis oder eine Erbeinsetzung, kann hierin sowohl die Zuwendung des kleinen als auch die Zuwendung des großen Ehegattenpflichtteils liegen. Im Zweifel ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, was der Erblasser wollte; eine Regelvermutung für die eine oder die andere Variante gibt es nicht.
Rz. 10
Handelt es sich bei der Zuwendung des Pflichtteils an den Ehegatten um eine Erbeinsetzung, ist zu beachten, dass der Ehegatte die Erbschaft nach § 1371 Abs. 3 BGB ausschlagen muss, wenn er neben dem (kleinen) Pflichtteil auch den konkreten Zugewinnausgleich erhalten will.
Praxishinweis
Im Rahmen der Errichtung eines öffentlichen Testaments ist der Notar nach § 17 BeurkG verpflichtet, auf das Bestehen von Pflichtteilsrechten und deren Bedeutung im Erbfall hinzuweisen.