Dr. iur. Nikolas Hölscher
a) Gesamtschuldnerische Haftung der Miterben
Rz. 50
Die Erben haften als Gesamtschuldner grundsätzlich untereinander zu gleichen Anteilen für die Pflichtteilsschuld (§ 426 Abs. 1 BGB). Allerdings gilt es im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung zu beachten, dass für die Erbengemeinschaft Sonderregelungen nach den §§ 2032 ff. BGB eingreifen. So haften die Miterben für die Pflichtteilslast nicht zu gleichen Anteilen, sondern nach dem Verhältnis ihres jeweiligen Anteils. Dieser bestimmt sich grundsätzlich nach der konkreten Erbquote. Eventuelle Auseinandersetzungsguthaben, die unter Berücksichtigung von Vorempfängen entstehen (§§ 2050 ff. BGB), sind hierfür nicht maßgeblich. Wie sich aus den §§ 2046, 2047 BGB ergibt, sind seitens des Nachlasses zunächst die Verbindlichkeiten zu erfüllen und der verbleibende Restnachlass entsprechend den Erbquoten zu verteilen.
Rz. 51
Lediglich unter den Voraussetzungen des § 2320 BGB erfolgt eine Abweichung von der gleichmäßigen Tragung der Pflichtteilslast. Danach hat derjenige, der anstelle des Pflichtteilsberechtigten gesetzlicher Erbe wird, im Verhältnis zu den übrigen Miterben die Pflichtteilslast voll zu tragen und zwar bis zur Höhe des dadurch erlangten Vorteils. Gleiches gilt nach § 2320 Abs. 2 BGB auch für denjenigen, der den Erbteil des Pflichtteilsberechtigten durch Verfügung von Todes wegen vom Erblasser erlangt hat. Allerdings bedarf es im Falle des § 2320 Abs. 2 BGB einer besonderen Prüfung dahingehend, dass dem Miterben auch gerade der Erbteil des Pflichtteilsberechtigten zugewandt wurde.
Rz. 52
Nach § 2324 BGB kann der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen jedoch die Pflichtteilslast im Innenverhältnis der Erben zueinander anders verteilen. Eine solche Anordnung stellt nach wohl h.M. ein Vermächtnis zugunsten des bevorzugten Miterben dar. Gleiches gilt auch für die Ausfallhaftung nach § 2319 S. 2 BGB. Ebenso kann der Erblasser eine von § 2320 BGB abweichende Regelung treffen.
b) Verteilung der Pflichtteilslast zwischen Erben, Vermächtnisnehmer, Auflagebegünstigten
aa) Allgemeines
Rz. 53
Der Erbe haftet im Außenverhältnis gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten für den Pflichtteilsanspruch (siehe Rdn 45 ff.). Hiervon kann der Erblasser auch nach § 2324 BGB keine für das Außenverhältnis abweichende Regelung treffen. Für die Verteilung der Pflichtteilslast zwischen den Erben, Vermächtnisnehmern und den Auflagebegünstigten gelten im Innenverhältnis die Vorschriften der §§ 2318 bis 2323 BGB. Diese betreffen – mit Ausnahme der Einrede nach § 2319 BGB – nur das Innenverhältnis der beteiligten Begünstigten. Sie kommen ferner nur zur Anwendung, wenn der Erblasser von der Vorschrift des § 2318 Abs. 1 BGB und der §§ 2320 bis 2323 BGB keine abweichende Anordnung getroffen hat (§ 2324 BGB). Nicht abdingbar ist allerdings die Vorschrift des § 2318 Abs. 2 und 3 BGB, ebenso wenig § 2319 S. 1 BGB.
bb) Kürzungsrecht nach § 2318 Abs. 1 BGB
Rz. 54
Nach § 2318 Abs. 1 BGB haben Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte entsprechend dem Wert ihrer Zuwendung zum Gesamtnachlass im Innenverhältnis zum Erben die Pflichtteilslast mitzutragen. Rein rechnerisch erfolgt dies durch sog. Kürzung des Vermächtnisanspruchs bzw. des Auflagenverlangens.
Rz. 55
Die Höhe des Kürzungsrechts bestimmt sich grundsätzlich nach der wertmäßigen Beteiligung des Vermächtnisnehmers oder Auflagebegünstigen am Gesamtnachlass. Erhält der Vermächtnisnehmer rein rechnerisch gesehen 50 % vom Nachlass, so hat er auch grundsätzlich 50 % des Pflichtteilsanspruchs zu tragen (zur Berechnung und zur Formel für den Kürzungsbetrag siehe § 2 Rdn 53). Im Rahmen des Pflichtteilsprozesses, in dem der Pflichtteilsberechtigte den Erben auf Zahlung des Pflichtteils in Anspruch nimmt, ist es daher sinnvoll, dem Vermächtnisnehmer und/oder Auflagebegünstigten den Streit zu verkünden (§§ 72 ff. ZPO). Hat der Erbe es zunächst unterlassen, den Vermächtnisanspruch oder die Zuwendung an den Auflagebegünstigten zu kürzen, kann er nach § 813 BGB das zuviel Geleistete zurückfordern.
Rz. 56
Beweisschwierigkeiten treten in der Praxis insbesondere bei der Bestimmung der Höhe des Kürzungsbetrages auf, wenn sich im Nachlass Immobilien befinden oder sog. Nutzungsrechte (Wohnrecht, Nießbrauch) bewertet werden müssen. Die Beweislast hierfür trifft i.d.R. den Erben, der den Kürzungsbetrag gegenüber dem Vermächtnisnehmer oder Auflagebegünstigten einwendet.
cc) Eingeschränktes Kürzungsrecht nach § 2318 Abs. 2 BGB
Rz. 57
Ist der Vermächtnisnehmer jedoch selbst pflichtteilsberechtigt, so wird das Kürzung...