Dr. iur. Nikolas Hölscher
a) Hemmung und Neubeginn
Rz. 312
Die §§ 203 bis 213 BGB regeln die Hemmung, Ablaufhemmung und den Neubeginn der Verjährung.
Rz. 313
Nach § 212 BGB führen nur das Anerkenntnis und die Vollstreckungsmaßnahme zum Neubeginn der Verjährung. Alle anderen Umstände sind nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Hemmungstatbestände und in den § 204 BGB eingeflossen.
Rz. 314
Gemäß § 209 BGB wird der Zeitraum, währenddessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet, wobei im Falle des § 204 Abs. 1 BGB die Hemmung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens endet (§ 204 Abs. 2 S. 1 BGB).
b) Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung (§ 204 BGB)
Rz. 315
Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird durch Klageerhebung die Verjährung gehemmt. Allerdings hemmt nur die Klage auf Zahlung die Verjährung. Eine Klage auf Zahlung (§ 2325 BGB) hemmt die Verjährung des gegen den Beschenkten auf Herausgabe zum Zwecke der Duldung der Zwangsvollstreckung gerichteten Anspruchs (§ 2329 BGB) nur dann, wenn es sich um denselben Schuldner handelt. Wird eine reine Auskunftsklage geltend gemacht, hemmt diese grundsätzlich nicht die Verjährung des Zahlungsanspruchs. Wird der Pflichtteilsanspruch im Wege der Stufenklage geltend gemacht, so ist die Verjährung auch hinsichtlich des in der letzten Stufe geltend gemachten Zahlungsanspruchs gehemmt, sofern dieser tatsächlich beantragt und nicht nur angekündigt wird.
Rz. 316
Auch eine Feststellungsklage hemmt grundsätzlich die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach Ansicht des BGH eine Klage auf Feststellung der Pflichtteilsberechtigung die Verjährung hinsichtlich eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs nur dann hemmt, wenn im Prozess über die Feststellungsklage zu der beeinträchtigenden Schenkung vorgetragen wird. Begründet wird dies damit, dass für den Umfang der Hemmung der Verjährung der dem prozessualen Anspruch zugrunde liegende Streitgegenstand maßgebend ist. Hinsichtlich des ordentlichen Pflichtteilsanspruchs und des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wird davon ausgegangen, dass es sich um zwei voneinander unabhängige Ansprüche und damit nicht um einen identischen Streitgegenstand handelt.
c) Hemmung der Verjährung bei unterlassener Ausschlagung
Rz. 317
§ 2332 Abs. 2 stellt klar, dass die Verjährung nicht dadurch gehemmt ist, dass der Pflichtteilsanspruch erst nach Ausschlagung der Erbschaft (oder eines Vermächtnisses) geltend gemacht werden kann. Setzt die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs also die Ausschlagung eines Erbteils oder Vermächtnisses voraus (§§ 2306 Abs. 1 Hs. 1, 2307 Abs. 1 S. 1, 1371 Abs. 3 BGB), beginnt die Verjährung nicht etwa erst mit der Ausschlagung, sondern mit dem in § 2332 Abs. 1 BGB genannten Zeitpunkt. Eine vor der Ausschlagung erhobene Klage hemmt eine Verjährung nur, wenn spätestens bis zur letzten mündlichen Verhandlung ausgeschlagen wurde.
d) Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen (§ 203 BGB)
Rz. 318
Gerade die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen erstreckt sich erfahrungsgemäß über einen längeren Zeitraum hinweg. Da dem Pflichtteilsanspruch als reinem Geldanspruch die Bewertung des Nachlasses zugrunde liegt und diese i.d.R. streitig ist, wird seitens der Parteien oftmals über einen längeren Zeitraum hinweg über die erstellten Gutachten verhandelt. Nach § 203 BGB ist die Verjährung dann gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben. Dies gilt so lange, bis eine der Parteien die Fortsetzung der Verhandlung verweigert. Nach § 203 S. 2 BGB tritt die Verjährung dann drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein. § 203 S. 2 BGB sieht daher eine besondere Ablaufhemmung vor.
Rz. 319
Fraglich ist allerdings, wann zwischen den Parteien Verhandlungen schweben und wann dieser Zustand beendet ist. So wird es grundsätzlich als ausreichend angesehen, wenn seitens des Erben die Bereitschaft zur Aufklärung des Sachverhalts signalisiert wird. Aus Beweisgründen ist es jedoch ratsam, dass sich der Pflichtteilsberechtigte von der Gegenseite, sofern diese nicht bereit ist, den Anspruch anzuerkennen, wenigstens das Schweben von Verhandlungen bestätigen lässt. So liegen schwebende Verhandlungen auch dann vor, wenn der Pflichtteilsschuldner Erklärungen abgibt, die dem Pflichtteilsberechtigten die Annahme gestatten, dass der Schuldner sich auf die Berechtigung des Pflichtteilsanspruchs einlässt. Dabei ist jedoch nicht erforderlich, dass seitens des Schuldners eine Vergleichsbereitschaft besteht. Wichtig ist hierbei, dass für ein Verhandeln ein Verhalten des Schuldners vorliegt, das über eine bloße Erfüllungsverweigerung hinausgeht. Keine schwebenden Verhandlungen liegen allerdings vor, wenn der Schuldner den Anspruch eindeutig zurückgewiesen hat und er auf erneutes Schreiben des Pflichtteilsberechtigten dergestalt erwidert, dass er derzeit keine Veranlassu...