Dr. iur. Nikolas Hölscher
I. Gläubiger des ordentlichen Pflichtteilsanspruchs
1. Person des Pflichtteilsberechtigten
Rz. 20
Die Frage, wer pflichtteilsberechtigt ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des § 2303 BGB und § 2309 BGB. Während § 2303 BGB den sogenannten "engeren" Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen definiert, bestimmt § 2309 BGB die Voraussetzungen des Pflichtteilsrechts der "entfernteren" Abkömmlinge und der Eltern.
Rz. 21
Nach § 2303 BGB gehören zu den pflichtteilsberechtigten Personen in erster Linie die direkten Abkömmlinge des Erblassers sowie sein Ehepartner. Zu den pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen zählen dabei auch das adoptierte und das nichteheliche Kind. Der Lebenspartner des Erblassers hat darüber hinaus dann ein Pflichtteilsrecht, wenn die Voraussetzungen der eingetragenen Lebenspartnerschaft vorliegen. Nicht pflichtteilsberechtigt sind die Geschwister des Erblassers und die Großeltern. Stiefkinder sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn sie vom Erblasser adoptiert wurden.
Rz. 22
Bei der Pflichtteilsberechtigung des überlebenden Ehepartners gilt es zu berücksichtigen, dass diesem ein Pflichtteilsanspruch nur dann zusteht, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls die Ehe wirksam bestand. Nach § 1933 BGB verliert der Pflichtteilsberechtigte sein Erbrecht und damit verbunden auch sein Pflichtteilsrecht, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.
2. "Entfernte" Pflichtteilsberechtigte
Rz. 23
Als "entfernte" Pflichtteilsberechtigte kommen die Enkel und Urenkel sowie die Eltern des Erblassers in Betracht. Diese sind grundsätzlich jedoch nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn sie im Falle einer gesetzlichen Erbfolge Erben werden würden. Für die Eltern des Erblassers bedeutet dies, dass keine Abkömmlinge vorhanden sein dürften, die die Eltern von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen. Für die Enkel und Urenkel bedeutet dies, dass die direkten Abkömmlinge, die Kinder des Erblassers, ebenfalls bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge nicht Erben werden würden.
Rz. 24
Die Vorschrift des § 2309 BGB will grundsätzlich vermeiden, dass es zu einer Doppelbegünstigung desselben Stammes kommt. Nach § 2309 BGB entfällt ein "näherer" Pflichtteilsberechtigter, wenn er vor dem Erbfall verstorben ist, für erbunwürdig erklärt wurde oder nach § 1953 BGB die Erbschaft ausgeschlagen hat. Hat der "nähere" Pflichtteilsberechtigte einen Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht abgegeben, der sich nicht auf seine Abkömmlinge erstreckt, findet § 2309 BGB ebenfalls Anwendung. Gleiches gilt, wenn ihm der Erblasser den Pflichtteil wirksam entzogen hat. "Entfernte" Abkömmlinge und Eltern sind aber dann nicht pflichtteilsberechtigt, wenn der "nähere" Abkömmling den Pflichtteilsanspruch grundsätzlich verlangen kann oder eine Ausschlagung nach den §§ 2306, 2307 BGB vorliegt. Zu beachten gilt es, dass als "hinterlassen" im Sinne des § 2309 Alt. 2 BGB nicht letztwillige Zuwendungen des Erblassers an den näheren Abkömmling gelten, der trotz Erb- und Pflichtteilsverzicht zum Alleinerben bestimmt wurde, sofern er und der entferntere Abkömmling demselben Stamm angehören. Ein gesetzliches Erbrecht des entfernteren Abkömmlings besteht auch dann, wenn der nähere Abkömmling durch Verfügung von Todes wegen enterbt wurde. Zur Problematik des § 2309 BGB siehe ausführlich § 2 Rdn 23 ff.
3. Weitere Voraussetzungen der Pflichtteilsberechtigung
Rz. 25
Dem Berechtigten steht ein Pflichtteilsanspruch grundsätzlich nur dann zu, wenn er im Falle des Eintritts der gesetzlichen Erbfolge Erbe geworden wäre, er aber durch eine Verfügung von Todes wegen seitens des Erblassers enterbt wurde.
Rz. 26
Hat der Berechtigte selbst den Verlust des gesetzlichen Erbrechts herbeigeführt, z.B. durch Ausschlagung der Erbschaft nach § 1953 BGB oder bereits vor Eintritt des Erbfalls durch Erklärung eines Erbverzichts, dann führt dies i.d.R. auch zum Verlust seines Pflichtteilsrechts. Allerdings gibt es hiervon auch Ausnahmen. In den Fällen der "taktischen Ausschlagung" kann der Pflichtteilsberechtigte unter den Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 BGB die Erbschaft ausschlagen und seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen. Für den überlebenden Ehepartner ergibt sich des Weiteren die Besonderheit, dass er im Fall des § 1371 Abs. 3 BGB grundsätzlich die Möglichkeit hat, die Erbschaft auszuschlagen und neben dem konkreten Zugewinnausgleichsanspruch seinen "kleinen" Pflichtteil geltend zu machen.
Rz. 27
Ist der Pflichtteilsberechtigte aufschiebend bedingt oder auflösend bedingt zum Nacherben eingesetzt (bspw. auch im Falle einer einer Wiederverheiratungsklausel zugrunde liegenden konstruktiven Vor- und Nacherbschaft), kann er einen Pflichtteilsanspruch nur geltend machen, wenn er die Nacherbeneinsetzung fristgerecht ausgeschlagen hat. Zur Problematik des aufschiebend bedingten Nacherben siehe ausführlich § 2 Rdn 27.
Rz. 28
Nicht pflichtteilsberechtigt ist daher: