Dr. iur. Nikolas Hölscher
I. Allgemeines zu den Auskunftsansprüchen
Rz. 125
Der Pflichtteilsberechtigte kann grundsätzlich eine vom Zahlungsanspruch getrennte Auskunftsklage hinsichtlich der Höhe und des Umfangs des Nachlasses erheben. Die Frage, ob es besser ist, eine isolierte Auskunftsklage oder sogleich eine Stufenklage zu erheben, wird kontrovers diskutiert. Als Argument für eine isolierte Auskunftsklage wird häufig ein geringeres Kostenrisiko angeführt. Teilweise wird sogar vertreten, die Auskunftsklage sei der "sicherste und kostengünstigste Weg" und es sei "fast immer richtig, Pflichtteilsansprüche durch isolierte Auskunftsklagen vorzubereiten", soweit nicht Verjährung drohe. Diese Auffassung überzeugt nicht und birgt für den Pflichtteilsberechtigten zudem nicht unerhebliche Risiken. Das angeblich im Raum stehende Kostenrisiko wird häufig nicht näher spezifiziert. Gemeint sein dürfte insoweit das Risiko, dass sich nach einer Auskunft herausstellt, dass der Nachlass dürftig ist. Unternimmt der Pflichtteilsberechtigte insoweit nichts, wird seine Stufenklage mangels Leistungsanspruch tatsächlich kostenpflichtig abgewiesen. Würde man bei diesen Erwägungen verbleiben, bestünde tatsächlich ein Kostenrisiko. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des BGH in einem solchen Fall der sogenannten "steckengebliebenen Stufenklage" die Stufenklage durch eine Klageänderung auf Ersatz des materiell-rechtlichen Verzugsschadens umgestellt werden. Nach einer entsprechenden Klageänderung gewinnt der Kläger die geänderte Klage insgesamt. Ein wirkliches Kostenrisiko, welches für die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen durch isolierte Auskunftsklage spricht, besteht mithin nicht. Dafür besteht allerdings das Risiko, dass sich der Auskunftsschuldner in einem gerichtlichen Verfahren verurteilen lässt oder verurteilt wird und die geschuldeten Auskünfte sodann nicht erteilt. Sodann muss gegen ihn im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO vorgegangen werden. Bei einem konfrontativen Gegner kann dies viel Zeit in Anspruch nehmen und bedarf gerichtlicher Mitwirkung. In einem solchen Fall stellt sich sodann die Frage, wie Zahlungsklage erhoben werden soll, wenn die Ansprüche nicht beziffert werden können. Entsprechende Probleme werden von vornherein vermieden, wenn man Pflichtteilsansprüche im Wege der Stufenklage durchsetzt.
Rz. 126
Bei der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs sind im Wesentlichen zwei Anspruchsgrundlagen zu unterscheiden: zum einen die Vorschrift des § 2314 BGB, die dem Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch auf Auskunft über den tatsächlichen und fiktiven Nachlassbestand des Erblassers gewährt. Des Weiteren steht dem pflichtteilsberechtigten Abkömmling aber auch ein Auskunftsanspruch gegenüber den übrigen Abkömmlingen nach §§ 2057, 2316 BGB zu. Dieser richtet sich grundsätzlich gegen die Geschwister des Pflichtteilsberechtigten bzw. deren Abkömmlinge, falls sie selbst vorverstorben sind, und ist inhaltlich auf die Auskunft über ausgleichungspflichtige Vorempfänge gerichtet. Neben dem Anspruch aus § 2314 BGB steht dem Pflichtteilsberechtigten z.B. auch der Anspruch auf Einsicht in Urkunden nach § 810 BGB zu.
Rz. 127
Bei der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nach § 2314 BGB ist darauf zu achten, dass dem Pflichtteilsberechtigten verschiedene Varianten des Auskunftsanspruchs zustehen. Er kann nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB die Vorlage eines privaten Nachlassverzeichnisses oder nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB die Vorlage eines amtlichen Nachlassverzeichnisses verlangen. Nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB hat er sogar die Möglichkeit, seine Hinzuziehung bei der Errichtung des Nachlassverzeichnisses zu verlangen.
Rz. 128
Übersicht: Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche
§ 2314 Abs. 1 S. 2 BGB |
Privates Nachlassverzeichnis |
Pflichtteilsberechtigter Nichterbe |
§ 2314 Abs. 1 S. 3 BGB |
Notarielles Nachlassverzeichnis |
Pflichtteilsberechtigter Nichterbe |
§ 2314 Abs. 1 S. 3 BGB |
Hinzuziehung bei der Erstellung |
Pflichtteilsberechtigter Nichterbe |
§ 2314 BGB analog |
Für den fiktiven Nachlass |
Pflichtteilsberechtigter Nichterbe |
§ 2314 Abs. 1 S. 2 BGB |
Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses |
Pflichtteilsberechtigter Nichterbe |
§ 242 BGB |
Auskunftsanspruch hinsichtlich Schenkungen |
Pflichtteilsberechtigter Miterbe |
§ 242 BGB |
Wertermittlungsanspruch bzgl. Schenkungen auf eigene Kosten |
Pflichtteilsberechtigter Miterbe |
Rz. 129
Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten ist grundsätzlich sofort fällig; einer Fristsetzung hierfür bedarf es nicht (§ 271 BGB).
Rz. 130
Der Auskunftsanspruch ist im Wege der Leistungsklage geltend zu machen und kann nicht durch eine einstweilige Verfügung erzwungen werden.
Rz. 131
Im Hinblick auf die sachliche und örtliche Zuständigkeit siehe Rdn 14 ff.