Dr. iur. Nikolas Hölscher
I. Allgemeines und Zuständigkeit
Rz. 200
Hat der Auskunftsschuldner die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erbracht, kann dem Pflichtteilsberechtigten ein Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zustehen (§ 260 Abs. 2 BGB). Die eidesstattliche Versicherung darf sich aber nur auf den tatsächlichen und den fiktiven Nachlass beziehen.
Rz. 201
Der Erbe muss die eidesstattliche Versicherung höchstpersönlich abgeben (§ 478 ZPO), im Falle einer Prozessunfähigkeit durch den gesetzlichen Vertreter.
Rz. 202
Für den Fall, dass der Erbe bereit ist, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, ist das Amtsgericht zuständig. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht am Wohnsitz des Erben. Im Falle der freiwilligen Abgabe ist nach § 3 Nr. 1 Buchst. b RPflG der Rechtspfleger zur Entgegennahme der eidesstattlichen Versicherung zuständig.
Rz. 203
Praxishinweis
Der Notar ist für die Entgegennahme der eidesstattlichen Versicherung nicht zuständig. Eine Strafbarkeit wird nur erlangt, wenn die eidesstattliche Versicherung vor der "zuständigen Stelle" abgegeben wird.
II. Voraussetzung der eidesstattlichen Versicherung und Antrag
Rz. 204
Voraussetzung für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist, dass aus objektiver Sicht Grund zur Annahme besteht, dass der Auskunftsschuldner das Nachlassverzeichnis und die Auskunftserteilung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erbracht hat (§ 260 Abs. 2 BGB). Solche objektiven Kriterien sind z.B. dann erfüllt, wenn das Nachlassverzeichnis zweifelhafte und unbestimmte Angaben enthält oder der Auskunftsverpflichtete die Erteilung zu verhindern oder zu verzögern versucht hat, oder falsche Angaben gemacht hat. Gleiches gilt, wenn der Auskunftsschuldner die Auskunft trotz mehrmaliger Aufforderung nur widerwillig oder bruchstückhaft erbracht hat, also das Offenbaren des Gesamtumfangs des Nachlasses nur sukzessive auf Nachfrage erfolgte, wobei die Unvollständigkeit bei gehöriger Sorgfalt hätte vermieden werden können. Wurde Auskunft durch ein notarielles Verzeichnis erteilt, sind Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung nicht nur die Angaben, welche der Notar im Verzeichnis als solche des auskunftspflichtigen Erben gekennzeichnet hat, sondern sämtliche im notariellen Verzeichnis enthaltenen Angaben. Selbst wenn diese auf eigenen Ermittlungen des Notars beruhen, sind diese der eidesstattlichen Versicherung zugänglich. Wenn der Erbe Änderungen oder Ergänzungen für erforderlich erachtet, hat er die an Eides statt zu versichernde Formel entsprechend anzupassen.
Rz. 205
Der Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sollte genau formuliert werden. Andernfalls muss der Rechtspfleger durch einen sog. Klarstellungsbeschluss die Auslegung der Entscheidungsgründe und die Formulierung festlegen.
Rz. 206
Formulierungsbeispiel: Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung
Der Beklagte wird verurteilt, zu Protokoll des Gerichts an Eides statt zu versichern, dass er den Bestand des Nachlasses des am (…) verstorbenen Erblassers (…) durch Vorlage des Nachlassverzeichnisses (…) und die darin enthaltenen Auskünfte vom (…) nach bestem Wissen so vollständig angegeben hat, wie er dazu imstande ist.
III. Eidesstattliche Versicherung im Rahmen der Stufenklage
Rz. 207
Hat der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO geltend gemacht, kann eine Entscheidung über die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erst dann getroffen werden, wenn aufgrund der vorangegangenen Verurteilung zur Auskunft ein Nachlassverzeichnis nach § 260 Abs. 1 BGB erstellt und vorgelegt wurde.
IV. Kosten (§ 261 Abs. 3 BGB)
Rz. 208
Nach § 261 Abs. 3 BGB hat grundsätzlich der Auskunftsberechtigte die Kosten der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu tragen. Da § 261 Abs. 3 BGB auf Prozesskosten keine Anwendung findet, hat im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung derjenige, der im Rechtsstreit unterliegt, die Kosten zu tragen. Erfolgt die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach Rechtshängigkeit der Klage, kann der Rechtsstreit (in dieser Stufe) einseitig für erledigt erklärt werden mit der Kostenfolge des § 91a ZPO.
V. Zwangsvollstreckung
Rz. 209
Die Zwangsvollstreckung der eidesstattlichen Versicherung richtet sich nach § 889 Abs. 1 ZPO und setzt neben dem Vorliegen eines Urteils einen Antrag des Gläubigers auf Bestimmung eines Termins voraus. Dabei ist der Vollstreckungstitel mit dem Antrag beim Vollstreckungsgericht einzureichen. Das Urteil muss i...