Dr. iur. Nikolas Hölscher
1. Allgemeines
Rz. 42
Nach § 2303 BGB hat grundsätzlich der Erbe die Pflichtteilslast – und zwar sowohl den ordentlichen als auch den außerordentlichen Pflichtteilsanspruch – zu tragen.
Rz. 43
Miterben haften daher vor der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft für den Pflichtteilsanspruch grundsätzlich als Gesamtschuldner (§§ 2058 ff. BGB). Bei der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs kann der Pflichtteilsberechtigte daher sowohl lediglich gegenüber einem einzelnen Miterben als auch gegenüber der gesamten Erbengemeinschaft vorgehen. Hinsichtlich deren Haftung ist jedoch zu unterscheiden, ob die Erbengemeinschaft zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs bereits auseinandergesetzt ist oder nicht (vgl. hierzu Rdn 45 ff.).
Rz. 44
Der Vermächtnisnehmer oder gar ein Auflagebegünstigter ist grundsätzlich im Außenverhältnis nicht Pflichtteilsschuldner, ebenso wenig der Testamentsvollstrecker (vgl. hierzu Rdn 95). Im Innenverhältnis steht dem Erben jedoch nach §§ 2318 ff. BGB das Recht zu, die Pflichtteilslast auf den Vermächtnisnehmer und Auflagebegünstigten weiterzuleiten. Dies allerdings nur dann, wenn der Erblasser das Kürzungsrecht des § 2318 Abs. 1 BGB nicht ausgeschlossen hat (§ 2324 BGB). An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die §§ 2318 ff. BGB nur im Innenverhältnis zwischen Erben, Vermächtnisnehmer und Auflagebegünstigten gelten. Lediglich die Vorschrift des § 2319 BGB kommt auch im Außenverhältnis zur Anwendung. Ausführlich zur Pflichtteilslast bei Vermächtnissen siehe § 2 Rdn 59 ff.
2. Haftung im Außenverhältnis
a) Bei ungeteiltem Nachlass
Rz. 45
Die Erben haften für den Pflichtteilsanspruch als Gesamtschuldner, solange eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht erfolgte (siehe Rdn 47). Dies gilt sowohl für den ordentlichen als auch den außerordentlichen Pflichtteilsanspruch und auch für einen Restpflichtteilsanspruch eines oder mehrerer übriger Miterben nach § 2305 BGB (vgl. aber Rdn 48). Die Haftung jedes einzelnen Miterben beschränkt sich vor der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft auf den jeweiligen Anteil am Nachlass, wenn der Miterbe die Einrede des ungeteilten Nachlasses nach § 2059 Abs. 1 S. BGB erhoben hat.
Rz. 46
Praxishinweis
Zu beachten ist, dass die Einrede bereits erstinstanzlich vorgetragen werden muss und dass sie im Rahmen der Zwangsvollstreckung nur dann Berücksichtigung findet, wenn sie gem. § 780 ZPO im Urteil vorbehalten wurde. Zum Vorbehalt der Erbenhaftung bezüglich der Kosten siehe Rdn 339 ff. Hinsichtlich der gesamtschuldnerischen Haftung für Pflichtteilsergänzungsansprüche siehe Rdn 48.
b) Nach erfolgter Erbauseinandersetzung
Rz. 47
Wurde die Erbengemeinschaft bereits auseinandergesetzt, so greift die Einrede des § 2059 BGB nicht mehr ein. Der Pflichtteilsberechtigte ist nunmehr als Nachlassgläubiger schutzwürdiger, da jeder einzelne Miterbe nach Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft über die ihm zugewandten Nachlassgegenstände frei verfügen kann. Nach § 2058 BGB besteht nunmehr eine unbeschränkte und nach §§ 2061 ff. BGB beschränkbare gesamtschuldnerische Haftung der Miterben. Lediglich in dem Fall, dass der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt ist, greift zu seinen Gunsten die Einrede des § 2319 BGB ein, allerdings nur in der Höhe seines ihm zustehenden Pflichtteils. Die Einrede des § 2319 BGB greift aber nur gegenüber Pflichtteilsansprüchen, nicht gegenüber Vermächtnissen und Auflagen ein. In dem Fall, dass der pflichtteilsberechtigte Miterbe von der Einrede des § 2319 BGB Gebrauch macht, haften nach § 2319 S. 2 BGB die übrigen Miterben weiterhin gesamtschuldnerisch.
c) Keine gesamtschuldnerische Haftung
Rz. 48
Eine gesamtschuldnerische Haftung aller Miterben nach § 2058 BGB kommt aber nur dann in Betracht, wenn es sich um gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten handelt. Bei Verbindlichkeiten, die nur bestimmte Miterben treffen, scheidet daher eine gesamtschuldnerische Haftung aller Miterben aus. Bei einem Pflichtteilsergänzungsanspruch nach §§ 2325, 2326 BGB eines Miterben handelt es sich gegenüber einem oder mehrerer anderer Miterben nicht um eine gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeit, da der anspruchsberechtigte Miterbe im Außenverhältnis für seinen eigenen Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht haftet und sich insoweit auch nicht selbst in Anspruch nehmen muss (was im Übrigen auch für den sog. Zusatzpflichtteil nach § 2305 BGB gilt). Grundsätzlich folgt hieraus, dass für Nachlassverbindlichkeiten, für die nicht alle Miterben haften, die Vorschriften über die Erbenhaftung nur eingeschränkt anwendbar sind. Danach kann ein Nachlassgläubiger für einen Anspruch, für den nur einzelne Miterben haften, keine Nachlassverwaltung und auch kein Nachlassinsolvenzverfahren beantragen. Dies gilt allerdings wiederum dann nicht, wenn der Nachlassgläubiger selbst, wie im Falle der §§ 2325, 2326, 2305 BGB, der einzige für die Nachlassverbindlichkeit nicht haftende Miterbe ist.
Rz. 49