Dr. iur. Nikolas Hölscher
I. Vorgehen im Wege der Leistungsklage
Rz. 215
Da es sich beim Pflichtteilsanspruch grundsätzlich um einen Zahlungsanspruch handelt, kann der Pflichtteilsberechtigte diesen durch Leistungsklage geltend machen. Der Pflichtteilsberechtigte ist zuvor nicht verpflichtet, Auskunftsklage zu erheben oder beide Ansprüche in Form einer Stufenklage miteinander zu verbinden. Liegt eine auslegungsbedürftige letztwillige Verfügung hinsichtlich der Frage, wer Erbe geworden ist, vor, bietet es sich auch an, zunächst auf Feststellung des Erbrechts und hilfsweise auf Zahlung des Pflichtteilsanspruchs zu klagen.
Rz. 216
Eine unmittelbare Erhebung der Zahlungsklage ohne die Geltendmachung der Hilfsansprüche (Auskunft, Wertermittlung) bietet sich jedoch nur dann an, wenn der Pflichtteilsberechtigte gesicherte Kenntnis über den Umfang des Nachlasses und konkrete Anhaltspunkte über die Bewertung der einzelnen Nachlassgegenstände hat. Der Vorteil der direkten Geltendmachung des Zahlungsanspruchs liegt dann sicherlich darin, dass der Pflichtteilsberechtigte "relativ" schnell zu seinem Geld kommt.
Rz. 217
Ferner wird in der Praxis der Auskunftsanspruch seitens des Pflichtteilsschuldners in den meisten Fällen außergerichtlich erfüllt, ebenso der Wertermittlungsanspruch. Für ein direktes Vorgehen durch Erhebung der Zahlungsklage spricht des Weiteren, dass der Wertermittlungsanspruch i.d.R. von einem durch den Pflichtteilsschuldner beauftragten Sachverständigen erfüllt wird. Der Pflichtteilsschuldner ist dann auch Auftraggeber gegenüber dem Sachverständigen, was für ihn i.d.R. ein "positives" Ergebnis mit sich bringt.
Rz. 218
Der Wertermittlungsanspruch ist in der Tat lediglich zur Abschätzung des Kostenrisikos des Pflichtteilsberechtigten brauchbar. Der Pflichtteilsberechtigte selbst wird daher im Rahmen der Leistungsklage für die Höhe der Bewertung der Nachlassgegenstände einen weiteren Beweisantrag bezüglich der Erstellung eines Sachverständigengutachtens stellen, dies insbesondere dann, wenn das im Rahmen des Wertermittlungsanspruchs vorgelegte Gutachten nicht nach den erforderlichen Regeln oder nicht von einem öffentlich vereidigten Sachverständigen erstellt wurde. Es ist daher im Vorfeld mit dem Mandanten bereits eine intensive Abwägung vorzunehmen, ob sich der Weg über die zumeist langwierige Stufenklage lohnt oder ob der Zahlungsanspruch direkt geltend gemacht werden soll.
II. Vorgehen im Wege der Stufenklage
1. Allgemeines
Rz. 219
Der sicherste Weg der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ist die prozessuale Vorgehensweise durch Erhebung einer Stufenklage (§ 254 ZPO). Dies insbesondere dann, wenn sich Verjährungsprobleme stellen könnten und wenn aller Voraussicht nach auch tatsächlich ein Zahlungsanspruch, in welcher Höhe auch immer, besteht. Ist dagegen ungewiss, ob überhaupt ein Zahlungsanspruch besteht, dann sollten nach Möglichkeit zunächst die Hilfsansprüche (Auskunft, Wertermittlung) abgewartet werden, wenn das Risiko der Verjährung nicht gegeben ist. Zum Problem der Kostentragungspflicht, wenn nach erteilter Auskunft ein Leistungsanspruch nicht besteht, siehe Rdn 244 ff.
2. Prozessualer Verlauf der Stufenklage
a) Allgemeines
Rz. 220
Bei der Stufenklage nach § 254 ZPO wird ein noch nicht zu beziffernder Leistungsanspruch zusammen mit einem Hilfsanspruch (Auskunft, Wertermittlung) erhoben. Die Besonderheit hierbei ist, dass der noch nicht bezifferte Leistungsantrag auch in der sich später herausstellenden Höhe rechtshängig wird. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der unbezifferte Leistungsantrag auch tatsächlich gestellt wird. Eine bloße Ankündigung des Leistungsantrags genügt nicht. Nach § 253 Abs. 2 S. 2 ZPO ist eine Befreiung von der Bezifferungspflicht dann zulässig, wenn der zuvor geltend gemachte Hilfsanspruch für die Bestimmung der Höhe des Leistungsanspruchs notwendig ist. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Hilfsanspruch nur deshalb geltend gemacht wird, um Informationen für die Durchsetzung des Leistungsanspruchs zu erhalten. Nach der Durchsetzung der Hilfsansprüche (Auskunft, Wertermittlung, eidesstattliche Versicherung) ist der Kläger aber verpflichtet, den Leistungsanspruch zu beziffern. Andernfalls ist die Klage wegen Unzulässigkeit abzuweisen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass in einem solchen Fall die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB endet.
b) Verjährung im Rahmen der Stufenklage
Rz. 221
Auch wenn im Rahmen einer Stufenklage zunächst nur ein unbezifferter Leistungsantrag gestellt wird, ist die Verjährung grundsätzlich gehemmt; dies gilt für die vorbereitenden Ansprüche allerdings nur, soweit diese Gegenstand der Stufenklage sind. Dies gilt so lange, bis die die Leistung vorbereitenden Hilfsansprüche er...