Dr. iur. Nikolas Hölscher
1. Allgemeines
Rz. 333
Der Erbe kann nach § 1990 BGB die Dürftigkeitseinrede erheben und die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten verweigern, wenn der Nachlass unzureichend ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Aktiva des Nachlasses so gering sind, dass hiermit die Kosten für eine Nachlassverwaltung oder ein Nachlassinsolvenzverfahren nicht gedeckt werden können.
2. Nachweis der Dürftigkeit
Rz. 334
Der Erbe, der die Dürftigkeitseinrede erhebt, muss grundsätzlich den Nachweis führen, dass der Nachlass unzureichend ist. Dies kann er z.B. dadurch erreichen, dass er ein Inventarverzeichnis über den Nachlass nach § 2009 BGB errichtet. Danach wird im Verhältnis zwischen Erben und Nachlassgläubigern vermutet, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls keine weiteren Nachlassgegenstände als die im Inventarverzeichnis angegebenen vorhanden gewesen sind. Des Weiteren kann der Erbe den Nachweis der Dürftigkeit auch dadurch führen, dass er eine Entscheidung, die eine Nachlassverwaltung oder ein Nachlassinsolvenzverfahren ablehnt oder einstellt, vorlegt. Ob die Nachlassverwaltung oder das Nachlassinsolvenzverfahren zu Recht eingestellt oder abgelehnt wurde, kann das Prozessgericht nicht überprüfen. Ihm steht insoweit keine inhaltliche Überprüfungsbefugnis zu. Das Prozessgericht ist an eine solche Entscheidung gebunden.
Rz. 335
Der Erbe kann im Falle der Dürftigkeit des Nachlasses dem Anspruch auf Auskunft durch Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses mit der Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB begegnen. Auf Antrag des Erben ist ein Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 ZPO in das Urteil aufzunehmen. Für den Fall, dass die Dürftigkeit des Nachlasses bereits im Ausgangsprozess nachgewiesen und die Dürftigkeitseinrede erhoben wird, kann dies die Klageabweisung begründen.
Praxishinweis
Wird die Überschuldung eingewandt, kann der Pflichtteilsberechtigte dem dadurch begegnen, dass er in seinen Antrag ergänzend aufnimmt, dass er die Kosten der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses übernimmt. In einer solchen Konstellation soll es treuwidrig sein, wenn sich der Erbe auf die Dürftigkeit des Nachlasses beruft. Nicht abschließend geklärt ist, wie die entsprechenden Anträge zu formulieren sind. Das LG Amberg vertritt die Auffassung, es sei nicht ausreichend, wenn beantragt werde, dass der Beklagte zur Auskunftserteilung "auf seine Kosten" verurteilt wird. Begründet wird diese Auffassung mit dem zutreffenden Argument, dass der Beklagte nach § 29 Nr. 1 GNotKG auch dann Kostenschuldner sei und hinsichtlich seines Regressanspruchs gegen den Kläger dessen Insolvenzrisiko ausgesetzt sei. Das OLG München hat angedeutet, dass ein Angebot des Pflichtteilsberechtigten, die Notarkosten im Voraus zu übernehmen, dieses Risiko auf eine Nachforderung reduzieren könnte und vor diesem Hintergrund eine andere Auffassung geboten sein könne. Auf entsprechende Restrisiken sollte es der Pflichtteilsberechtigte allerdings nicht ankommen lassen. Der sicherste Weg dürfte darin bestehen, dass der Kläger insoweit Sicherheitsleistung anbietet.
3. Einrede gegen die Nachlassforderung
Rz. 336
Der Erbe kann die Dürftigkeitseinrede des unzureichenden Nachlasses nach § 1990 BGB grundsätzlich gegenüber allen Nachlassforderungen geltend machen. Sie steht dem Erben daher auch gegenüber dem ordentlichen Pflichtteil und dem Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Erbe nicht bereits unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten haftet (§ 2013 BGB) oder wenn er auf die Einrede der Dürftigkeit verzichtet hat. Die Dürftigkeitseinrede kann aber nicht nur gegenüber dem reinen Zahlungsanspruch, sondern auch gegenüber dem Wertermittlungsanspruch nach § 2314 BGB geltend gemacht werden.
Rz. 337
Hinsichtlich des Bestehens der Einrede ist nach herrschender Meinung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsacheninstanz abzustellen.
4. Rechtsfolgen der Dürftigkeitseinrede
Rz. 338
Durch die Erhebung der Dürftigkeitseinrede kann der Erbe den Zugriff von Nachlassgläubigern auf sein Eigenvermögen abwehren. Nach § 1990 Abs. 1 S. 2 BGB ist er dann aber verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben. Anders als bei der Nachlassverwaltung oder der Nachlassinsolvenz findet bei der...