Dr. iur. Nikolas Hölscher
1. Allgemeines
Rz. 219
Der sicherste Weg der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ist die prozessuale Vorgehensweise durch Erhebung einer Stufenklage (§ 254 ZPO). Dies insbesondere dann, wenn sich Verjährungsprobleme stellen könnten und wenn aller Voraussicht nach auch tatsächlich ein Zahlungsanspruch, in welcher Höhe auch immer, besteht. Ist dagegen ungewiss, ob überhaupt ein Zahlungsanspruch besteht, dann sollten nach Möglichkeit zunächst die Hilfsansprüche (Auskunft, Wertermittlung) abgewartet werden, wenn das Risiko der Verjährung nicht gegeben ist. Zum Problem der Kostentragungspflicht, wenn nach erteilter Auskunft ein Leistungsanspruch nicht besteht, siehe Rdn 244 ff.
2. Prozessualer Verlauf der Stufenklage
a) Allgemeines
Rz. 220
Bei der Stufenklage nach § 254 ZPO wird ein noch nicht zu beziffernder Leistungsanspruch zusammen mit einem Hilfsanspruch (Auskunft, Wertermittlung) erhoben. Die Besonderheit hierbei ist, dass der noch nicht bezifferte Leistungsantrag auch in der sich später herausstellenden Höhe rechtshängig wird. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der unbezifferte Leistungsantrag auch tatsächlich gestellt wird. Eine bloße Ankündigung des Leistungsantrags genügt nicht. Nach § 253 Abs. 2 S. 2 ZPO ist eine Befreiung von der Bezifferungspflicht dann zulässig, wenn der zuvor geltend gemachte Hilfsanspruch für die Bestimmung der Höhe des Leistungsanspruchs notwendig ist. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Hilfsanspruch nur deshalb geltend gemacht wird, um Informationen für die Durchsetzung des Leistungsanspruchs zu erhalten. Nach der Durchsetzung der Hilfsansprüche (Auskunft, Wertermittlung, eidesstattliche Versicherung) ist der Kläger aber verpflichtet, den Leistungsanspruch zu beziffern. Andernfalls ist die Klage wegen Unzulässigkeit abzuweisen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass in einem solchen Fall die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB endet.
b) Verjährung im Rahmen der Stufenklage
Rz. 221
Auch wenn im Rahmen einer Stufenklage zunächst nur ein unbezifferter Leistungsantrag gestellt wird, ist die Verjährung grundsätzlich gehemmt; dies gilt für die vorbereitenden Ansprüche allerdings nur, soweit diese Gegenstand der Stufenklage sind. Dies gilt so lange, bis die die Leistung vorbereitenden Hilfsansprüche erfüllt worden sind. Die Hemmung endet jedoch nicht sofort mit der Erfüllung der Hilfsansprüche. Dem Kläger steht insoweit eine angemessene Frist zur Überprüfung und Auswertung der erlangten Ergebnisse zu. Wird nach Klageerhebung eine Stufe durch Teilurteil beschieden, ist der maßgebliche Zeitpunkt die Zustellung des Teilurteils. Gleiches gilt für den Fall, dass der Kläger die zur Bezifferung seines Leistungsanspruchs erforderlichen Hilfsansprüche im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen muss. In diesem Fall liegt ein Stillstand des Verfahrens der Stufenklage nicht vor. Endet das Verfahren einer Vollstreckungsabwehrklage durch Vergleich unter Widerrufsvorbehalt, gerät das mit der Stufenklage verfolgte Verfahren erst nach Unterlassen des Widerrufs in Stillstand. Wurde der Leistungsanspruch nach Erfüllung der Hilfsansprüche einmal beziffert, dann ist die Verjährung aber nur noch in der konkret genannten Höhe gehemmt. Zur Hemmung der Verjährung, wenn der Pflichtteilsberechtigte Klage erhoben hat, ihm aber aufgrund vergessener Ausschlagung der Pflichtteilsanspruch noch nicht zusteht, siehe Rdn 317.
c) Klageantrag
Rz. 222
Im Rahmen der Stufenklage kann der Pflichtteilsberechtigte die Reihenfolge und Zusammensetzung der Stufe der jeweiligen Hilfsansprüche je nach Notwendigkeit selbst bestimmen. Hat der Pflichtteilsberechtigte seitens des Erben keine Informationen erhalten, bietet es sich an, in der ersten Stufe die Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zu verlangen (§ 2314 BGB), in der zweiten Stufe den Anspruch auf Wertermittlung geltend zu machen, in der dritten Stufe die Abgabe der Versicherung an Eides statt (§ 260 Abs. 2 BGB) und in einer vierten Stufe letztlich den Zahlungsanspruch, der sich aus dem ermittelten Nachlasswert und der dem Kläger zustehenden Pflichtteilsquote ergibt. Je nach Sachlage und Einzelfall sollte aber genau überlegt werden, ob der pflichtteilsberechtigte Kläger tatsä...