Dr. iur. Nikolas Hölscher
1. Gläubiger und Schuldner des Auskunftsanspruchs
Rz. 137
Nach § 2314 BGB ist Gläubiger des Auskunftsanspruchs (vgl. hierzu ausführlich § 9 Rdn 13 ff.) jeder Nichterbe aus dem Personenkreis der §§ 2303, 2309, 2339 a BGB, aber auch der Abtretungsempfänger eines Pflichtteilsanspruchs nach §§ 2317, 398 BGB. Im Falle der Abtretung des Pflichtteilsanspruchs an mehrere Gläubiger ist zu beachten, dass jedem der Abtretungsempfänger ein eigener Auskunftsanspruch zusteht, da es sich bei dem Auskunftsanspruch um ein unselbstständig zu sicherndes Nebenrecht handelt. Ferner steht dem pflichtteilsberechtigten Enterbten ein Auskunftsanspruch gegenüber dem vom Erblasser beschenkten Dritten nach § 2314 BGB analog zu.
Rz. 138
Sind mehrere pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge vorhanden, so kann jeder von ihnen eigenständig auf Auskunft klagen. Sie sind sowohl im Hinblick auf den Pflichtteilsanspruch selbst als auch im Hinblick auf den Auskunftsanspruch nicht als Gesamtgläubiger zu behandeln.
Rz. 139
Wird dem Pflichtteilsberechtigten ein Vermächtnis zugewandt, so schließt dies grundsätzlich die Auskunftsberechtigung nicht aus. Der Pflichtteilsberechtigte muss die Möglichkeit haben, dass er die Frage, ob ihm ein sogenannter Zusatzpflichtteil nach § 2307 BGB zusteht, überprüfen kann.
Rz. 140
Praxishinweis
Der Erblasser kann bestimmen, dass der Pflichtteil durch ein Vermächtnis abgegolten werden soll. Bei Annahme eines solchen Vermächtnisses hat der Pflichtteilsberechtigte keinen weiteren Anspruch nach § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB.
Rz. 141
Schuldner des Auskunftsanspruchs ist grundsätzlich der Erbe, die Miterben als Gesamtschuldner und der vor dem Erbfall Beschenkte nach § 2314 BGB analog. Liegt ein Fall der Vor- und Nacherbschaft vor, dann ist Schuldner des Auskunftsanspruchs bis zum Eintritt des Nacherbfalls ausschließlich der Vorerbe.
Rz. 142
Weder dem pflichtteilsberechtigten Erben noch dem Nacherben steht ein Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB zu. Ebenso wenig demjenigen, dem der Pflichtteil rechtmäßig entzogen worden ist. Unter bestimmten Umständen steht aber dem Nacherben gegen den vom Vorerben Beschenkten ein Auskunftsanspruch zu, wenn dies nach Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist. Tritt der Nacherbfall bereits zu Lebzeiten des Vorerben ein, so wird ein solches rechtfertigendes Interesse i.d.R. abgelehnt, da der Nacherbe dann nämlich die Möglichkeit hat, die Auskunft direkt vom Vorerben zu verlangen. Anders wird dies jedoch gesehen, wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintritt und gewisse Anhaltspunkte für die vom Nacherben behaupteten unentgeltlichen Zuwendungen des Vorerben vorliegen.
Rz. 143
Der nicht enterbte Pflichtteilsberechtigte hat grundsätzlich keinen Anspruch aus § 2314 BGB. Dies wird damit begründet, dass sich der Miterbe jederzeit selbst über die zu Lebzeiten getätigten Zuwendungen und den Bestand und den Wert des Nachlasses in Kenntnis setzen kann. Nur unter bestimmten Voraussetzungen steht dem nicht enterbten Pflichtteilsberechtigten ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB gegenüber dem vom Erblasser Beschenkten zu (siehe Rdn 149).
Rz. 144
Praxishinweis
Hat der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung Testamentsvollstreckung angeordnet, so trifft den Testamentsvollstrecker grundsätzlich keine Auskunftspflicht nach § 2314 BGB, und zwar auch dann nicht, wenn eine Verwaltungsvollstreckung vorliegt (§ 2213 Abs. 1 S. 3 BGB; siehe auch Rdn 95 ff.).
2. Inhalt und Umfang des Auskunftsanspruchs nach § 2314 BGB
Rz. 145
Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs ist die Offenlegung der für den Pflichtteilsanspruch notwendigen Berechnungsfaktoren. Der Auskunftsschuldner ist danach verpflichtet, Auskunft über sämtliche Aktiva und Passiva des Nachlasses durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses zu erteilen. Auskunftsschuldner sind alle Erben als Gesamtschuldner.
Rz. 146
Dabei beschränkt sich die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht nur auf den zum Zeitpunkt des Erbfalls tatsächlich vorhandenen Nachlass, sondern erstreckt sich auch auf die zu Lebzeiten getätigten Schenkungen (fiktiver Nachlass). Für den Fall, dass der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Erbfall eine Schenkung getätigt hat, ist diese im Nachlassverzeichnis mit anzugeben. Gleiches gilt für Schenkungen an den Ehegatten, und zwar auch dann, wenn sie außerhalb der Zehn-Jahres-Frist erfolgten. Den Auskunftsverpflichteten trifft eine Ermittlungspflicht, wenn der Verdacht besteht, dass der Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen getätigt hat. Der Pflichtteilsberechtigte muss keine konkreten Anhaltspunkte für mögliche Schenkungen machen. Er ist dann verpflichtet, von seinem Auskunftsrecht gegenüber den Banken Gebrauch zu machen,...