Dr. iur. Nikolas Hölscher
Rz. 33
Dem Erben des Pflichtteilsberechtigten steht der Pflichtteilsanspruch als Nachlassforderung dann zu, wenn der Pflichtteilsanspruch vererblich gewesen ist. Ob ein Erbe des Pflichtteilsberechtigten Gläubiger eines Pflichtteilsanspruchs sein kann, richtet sich daher nach der Vererblichkeit des Pflichtteilsanspruchs selbst. Hierbei ist grundsätzlich zwischen dem abstrakten Pflichtteilsrecht und dem konkreten Pflichtteilsanspruch zu unterscheiden. Während das Pflichtteilsrecht ein bestehendes Rechtsverhältnis zwischen den pflichtteilsberechtigten Verwandten und dem Erblasser begründet, entsteht der Pflichtteilsanspruch selbst nach § 2317 BGB erst mit Eintritt des Erbfalls. Der Pflichtteilsberechtigte erwirbt den Anspruch kraft Gesetzes und unabhängig davon, ob er ihn haben will oder nicht. Verstirbt ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling daher vor seinen Eltern, so befindet sich in seinem Nachlass kein Pflichtteilsanspruch, der seitens seiner Erben geltend gemacht werden könnte. In diesem Fall ist vielmehr zu prüfen, inwieweit seine Abkömmlinge selbst pflichtteilsberechtigt werden. Verstirbt der Pflichtteilsberechtigte hingegen nach dem Erblasser, so ist sein Pflichtteilsanspruch grundsätzlich vererblich und befindet sich als Forderung in seinem Nachlass (§ 2317 Abs. 2 BGB). Er geht dann entweder durch Verfügung von Todes wegen oder kraft Gesetzes auf die Erben des Pflichtteilsberechtigten über.
Rz. 34
Ein wohl eher akademischer Streit wird darüber geführt, zu welchem Zeitpunkt der Pflichtteilsanspruch entsteht, wenn er z.B. davon abhängt, dass der Pflichtteilsberechtigte den ihm zugewandten Erbteil ausschlägt (z.B. in den Fällen des § 2306 Abs. 1 BGB oder des § 1371 Abs. 3 BGB). Hat der pflichtteilsberechtigte Erblasser vor Eintritt seines Erbfalls von seiner Möglichkeit, nach § 2306 Abs. 1 BGB die Erbschaft auszuschlagen und einen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen, keinen Gebrauch gemacht, dann geht dieses Recht, sofern es nicht wegen Fristablaufs erloschen ist, auf seine Erben über.
Rz. 35
Umstritten ist aber in der Praxis, ob dies auch in den Fällen der Vor- und Nacherbschaft gilt. Entschieden wurde vom BGH bislang der Fall, dass der Pflichtteilsberechtigte seitens des Erblassers zum Vorerben eingesetzt wurde und dieser nach dem Erblasser, aber vor Ablauf der Ausschlagungsfrist, verstirbt und den Erben die Vorerbschaft selbst zufällt. In einem solchen Fall hat der BGH entschieden, dass die Erben des Vorerben die Vorerbschaft ausschlagen und den Pflichtteilsanspruch verlangen können. Gleiches gilt nach Herzog auch für den Fall, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten zum Nacherben eingesetzt hat und die Erben des Pflichtteilsberechtigten Ersatznacherben sind. Sind in einem solchen Fall als Ersatznacherben jedoch nicht die Erben des Pflichtteilsberechtigten genannt, sondern ein Dritter, dann ist das Ausschlagungsrecht und der damit verbundene Pflichtteilsanspruch nicht in den Nachlass des Pflichtteilsberechtigten übergegangen. In diesem Fall wird in der Literatur die Meinung vertreten, dass dem Erben des Pflichtteilsberechtigten dennoch ein Pflichtteilsanspruch zuzubilligen sei. Dabei wird die Meinung vertreten, dass ein solcher Pflichtteilsanspruch nur dann zugebilligt werden kann, wenn der Pflichtteilsberechtigte aufschiebend bedingt zum Nacherben eingesetzt wurde.