Dr. iur. Nikolas Hölscher
1. Besonderer Gerichtsstand der Erbschaft
Rz. 17
Nach § 27 Abs. 1 ZPO ist für die jeweilige Klage das Gericht, an dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12–16 ZPO) hatte, zuständig. Man spricht hier auch von dem besonderen Gerichtsstand der Erbschaft, dessen Zweck die Zusammenfassung verschiedener Prozesse bei einem sachnahen Gericht ist. Grundsätzlich ist danach gem. § 13 ZPO das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Unter dem Begriff des Wohnsitzes versteht man den Ort, an dem sich der Erblasser auf Dauer niedergelassen hat, und zwar mit der Absicht, diesen zum Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tätigkeit zu machen. In dem Fall, dass der Erblasser mehrere Wohnsitze hatte, bestehen auch grundsätzlich mehrere besondere Gerichtsstände der Erbschaft. In einem solchen Fall obliegt dem Kläger gem. § 35 ZPO die Wahl des Gerichtsstands.
Rz. 18
Der Gerichtsstand der Erbschaft gilt für Klagen auf Auskunft und Zahlung des Pflichtteilsanspruchs ebenso wie für die Klage auf Feststellung des Erbrechts oder bei einer Anfechtungsklage bezüglich der Erbunwürdigkeit (§ 2342 BGB). Zur Geltendmachung der Pflichtteilsunwürdigkeit selbst ist jedoch keine Klage erforderlich (§ 2345 BGB). Diese erfolgt vielmehr durch formlose Erklärung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten. Die Voraussetzungen der Pflichtteilsunwürdigkeit sind dann im Rahmen der Leistungsklage zu prüfen. Unter den besonderen Gerichtsstand des § 27 ZPO fällt ferner auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2329 BGB gegenüber den Beschenkten. Für den besonderen Gerichtsstand der Erbschaft ist es letztlich unerheblich, ob sich die Nachlassgegenstände tatsächlich im Gerichtsbezirk des Wohnsitzes des Erblassers befinden oder jemals dort befunden haben. § 27 ZPO gilt auch bei Anwendung ausländischen Erbrechts, soweit der deutsche Erblasser wegen Art. 3 Abs. 3 EGBGB für im Ausland belegenes Vermögen nach ausländischem Recht beerbt wird.
2. Allgemeiner Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO)
Rz. 19
Der Pflichtteilsberechtigte kann darüber hinaus seine Klage auch am allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) des Wohnsitzes des Erben oder des Beschenkten erheben, da § 27 ZPO keinen ausschließlichen Gerichtsstand begründet. Ebenso können die Parteien einverständlich den Prozess auch an einem anderen Ort führen. Für den Fall, dass nicht alle Miterben den gleichen Wohnsitz haben, bietet es sich jedoch seitens des Klägers an, den Gerichtsstand des § 27 ZPO zu wählen (§ 35 ZPO). Nach § 27 Abs. 2 ZPO ist für den Fall, dass der Erblasser Deutscher war, seinen letzten Wohnsitz aber im Ausland hatte und auch nach deutschem Recht beerbt wird, das Gericht des letzten inländischen Wohnsitzes zuständig. Hatte der Erblasser keinen solchen Wohnsitz, dann gilt die Vorschrift des § 15 Abs. 1 S. 2 ZPO entsprechend (§ 27 Abs. 2 Hs. 2 ZPO).