Dr. iur. Nikolas Hölscher
1. Geltendmachung gegenüber dem Erben
Rz. 95
Hat der Erblasser für seinen Nachlass Testamentsvollstreckung angeordnet, stellt sich die Frage, ob der Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Erben oder dem Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden muss. Nach § 2213 Abs. 1 S. 3 BGB kann ein Pflichtteilsanspruch immer nur gegenüber dem Erben geltend gemacht werden, und zwar auch dann, wenn dem Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses zusteht. Ist der Pflichtteilsanspruch zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten unstreitig gestellt, hat der Testamentsvollstrecker allerdings die Aufgabe, den Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit zu erfüllen.
Rz. 96
Der Testamentsvollstrecker ist nicht berechtigt, den Pflichtteilsanspruch mit Wirkung für die Erben anzuerkennen. Wurde der Testamentsvollstrecker seitens des Pflichtteilsberechtigten auf Zahlung des Pflichtteilsanspruchs verklagt und gibt der Testamentsvollstrecker in dem Verfahren ein prozessuales Anerkenntnis ab, dann ist dies für den Pflichtteilsberechtigten wirksam. Der Testamentsvollstrecker macht sich gegenüber den Erben aber möglicherweise schadensersatzpflichtig, wenn der Pflichtteilsanspruch tatsächlich nicht in der von ihm anerkannten Höhe besteht.
2. Prozessuales Vorgehen bei Testamentsvollstreckung
Rz. 97
Unterliegt der Nachlass, gegenüber dem der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen will, der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers, ist darauf zu achten, dass er gegen den Testamentsvollstrecker einen Duldungstitel nach § 748 Abs. 1, 3 ZPO erwirkt, damit in den der Verwaltung unterliegenden Nachlass auch vollstreckt werden kann. Das Leistungsurteil zwischen dem Erben und Pflichtteilsberechtigten entfaltet nämlich keine Rechtskraft gegenüber dem Testamentsvollstrecker. Ebenso wenig ist der Testamentsvollstrecker an den vom Erben anerkannten Pflichtteilsanspruch gebunden. Der Duldungstitel gegen den Testamentsvollstrecker ist auch vor Annahme des Amtes notwendig, wenn sich seine Stellung aus der letztwilligen Verfügung ergibt.
Rz. 98
Nicht notwendig ist hingegen, dass der Leistungstitel gegen den Erben und der Duldungstitel gegen den Testamentsvollstrecker in einem Rechtsstreit erwirkt werden. Auch wenn sich dies sinnvollerweise anbietet, könnten beide Titel getrennt voneinander geltend gemacht werden. Allerdings erstreckt sich die Rechtskraft des Leistungstitels dann nicht auf den Duldungstitel. Hat der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung mehrere Testamentsvollstrecker bestimmt und führen diese das Amt auch gemeinschaftlich aus, muss sich der Duldungstitel gegen alle Testamentsvollstrecker richten. Der Duldungsanspruch soll in gleicher Weise der Verjährung unterliegen wie der Pflichtteilsanspruch.
3. Vorgehensweise beim Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch
Rz. 99
In den meisten Fällen ist der Pflichtteilsberechtigte in der Praxis auf den Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch nach § 2314 BGB angewiesen, um seinen Pflichtteilsanspruch beziffern zu können. Da der Testamentsvollstrecker nach § 2215 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, dem Erben ein Nachlassverzeichnis über alle Aktiva und Passiva des von ihm verwalteten Nachlasses vorzulegen, wird der Erbe in den meisten Fällen in der Lage sein, den Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten selbst zu erfüllen. Insoweit kann ihm auch zugemutet werden, die Vorlage des Nachlassverzeichnisses durch den Testamentsvollstrecker gerichtlich zu erzwingen. Dabei darf allerdings nicht verkannt werden, dass der Testamentsvollstrecker sein Verzeichnis auf den Zeitpunkt der Amtsübernahme und der Pflichtteilsberechtigte sein Verzeichnis auf den Zeitpunkt des Todes errichten muss. Schwieriger gestaltet sich jedoch die Durchsetzung des Wertermittlungsanspruchs. Steht dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben ein Anspruch auf Wertermittlung nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB zu, so ist der Erbe grundsätzlich verpflichtet, den Wertermittlungsanspruch auf Kosten des Nachlasses zu erfüllen. Hier stellt sich das Problem, dass der reine Duldungstitel gegen den Testamentsvollstrecker im Hinblick auf die Kostentragung des Nachlasses keine Wirkung entfalten kann, sondern lediglich hinsichtlich der Vornahme der Wertermittlung selbst. Klingelhöffer fordert daher zu Recht einen direkten Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Testamentsvollstrecker. Er begründet dies damit, dass § 2213 Abs. 1 BGB (durch teleologische Reduktion) auf den re...