Dr. iur. Nikolas Hölscher
I. Allgemeines
Rz. 275
Grundsätzlich ist der Erbe Schuldner des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2325 BGB. Beim Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB handelt es sich um einen reinen Zahlungsanspruch gegen den Nachlass. Dies gilt auch dann, wenn ein Dritter, also nicht der Erbe oder Miterbe, die Schenkung erhalten hat (wobei die §§ 2328, 2329 BGB zu beachten sind; vgl. Rdn 65 ff.). Ist kein Nachlasswert vorhanden, ist die Zahlungsklage als unbegründet abzuweisen. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch kann unter den Voraussetzungen des § 2326 BGB auch von einem Miterben als eigenständiger Zahlungsanspruch geltend gemacht werden.
II. Klageantrag
Rz. 276
Beim Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben nach § 2325 BGB ist grundsätzlich ein Zahlungsantrag zu stellen. Wird seitens der Erben im Prozess die Einrede der Unzulänglichkeit des Nachlasses geltend gemacht, kann der Pflichtteilsergänzungsberechtigte den Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den verschenkten Gegenstand nach § 2329 BGB umstellen, wenn der zuvor verklagte Erbe gleichzeitig der Beschenkte ist. Das Gericht trifft in einem solchen Fall nach § 139 ZPO eine Hinweispflicht, wenn es Voraussetzungen für eine Änderung des Antrags als erwiesen ansieht. Nach § 139 ZPO trifft das Gericht eine Hinweispflicht hinsichtlich aller tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte (siehe Rdn 5 ff.).
Rz. 277
Der BGH sieht in dem Übergang vom Zahlungsanspruch zum Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung grundsätzlich keine unzulässige Klageänderung i.S.d. § 264 ZPO.
Rz. 278
Zu beachten ist hierbei, dass der Zahlungsanspruch nach § 2325 BGB und der Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung nach § 2329 BGB in den verschenkten Gegenstand unterschiedlichen Verjährungen unterliegen. Während die Verjährung des Anspruchs nach § 2325 BGB mit der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von dem Eintritt des Erbfalls und der ihn beeinträchtigenden Verfügung (§ 2332 Abs. 1 BGB) beginnt (Jahresendverjährung), verjährt der Anspruch nach § 2329 BGB stichtagsgenau innerhalb von drei Jahren, beginnend mit dem Eintritt des Erbfalls (§ 2332 Abs. 2 BGB). Auf eine Kenntnis kommt es hier nicht an.
Rz. 279
Nach Ansicht des BGH hemmt aber der gegen den Erben gerichtete Zahlungsanspruch nach § 2325 BGB auch die Verjährung des Anspruchs auf Herausgabe zur Duldung der Zwangsvollstreckung, wenn der Erbe zugleich der beschenkte Dritte ist.
III. Zahlungsklage gegen den Erben und Feststellungsklage gegen den Beschenkten
Rz. 280
Ist der Erbe nicht zugleich der beschenkte Dritte und stellt sich dies erst im Prozess gegen den Erben nach § 2325 BGB heraus, so kann der Pflichtteilsberechtigte die Klage nicht umstellen. Er muss dann gegen den Beschenkten grundsätzlich einen weiteren Prozess auf Herausgabe des verschenkten Gegenstands zum Zwecke der Duldung der Zwangsvollstreckung nach § 2329 BGB betreiben. Da in diesem Fall der vorrangig geltend gemachte Anspruch gegen den Erben die Verjährung im Verhältnis zu dem beschenkten Dritten nicht hemmt, läuft der Pflichtteilsberechtigte Gefahr, dass der Anspruch nach § 2329 BGB zwischenzeitlich verjährt ist. Da dies den Pflichtteilsberechtigten vor erhebliche Risiken und prozessuale Probleme stellt, gewährt die Rechtsprechung dem Pflichtteilsgläubiger in diesem Fall die Möglichkeit, durch Erhebung einer Feststellungsklage die Verjährung gegenüber dem beschenkten Dritten zu hemmen.
Rz. 281
Praxishinweis
Solange der Pflichtteilsberechtigte sowohl vom Erben als auch vom Beschenkten noch Auskunft über den tatsächlichen und den fiktiven Nachlass verlangt, kann er Stufenklage mit dem Endziel der Leistung der Ergänzung zugleich gegen den Erben und den Beschenkten erheben, ohne dass das Gericht die Klage gegen den Beschenkten vorab als "derzeit unbegründet" abweisen darf. Die Nachrangigkeit des Anspruchs gegen den Beschenkten rechtfertigt dieses nicht.
IV. Beweislast
1. Bezüglich der Jahresfrist nach § 2325 Abs. 3 BGB
Rz. 282
Hinsichtlich der Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 BGB trägt grundsätzlich der Erbe die Beweislast. Er hat den Fristbeginn, der mit der Leistung des verschenkten Gegenstands beginnt, zu beweisen. Gleiches gilt für den Fall des § 2325 Abs. 3 Hs. 2 BGB. Hier trifft den Erben die Beweislast hinsichtlich des Zeitpunkts der Auflösung der Ehe.
2. Beweislast bezüglich der Unentgeltlichkeit der Zuwendung
Rz. 283
Derjenige, der wegen einer lebzeitigen Zuwendung des Erblassers einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend macht, muss grundsätzlich die Unentgeltlichkeit der Übertragung (also die Schenkung) und auch deren Wert darlegen und beweisen. Beweisschwierigkeiten entstehen dann, wenn eine gemischte Schenkung oder eine Schenkung unter Auflage vorliegt. Hier wird es dem Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich schwer fallen zu beweisen, dass die Zuwendung ohne Gegenleistung erfolgte. Die Rechtsprechung tendiert in diesen Fällen dahin, dass den Beklagten die Verpflichtung trifft, im ...