Dr. iur. Nikolas Hölscher
I. Allgemeines
Rz. 373
Nach § 852 Abs. 1 ZPO kann der Pflichtteilsanspruch gepfändet werden, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Dem Pflichtteilsgläubiger obliegt daher allein die Entscheidungsbefugnis darüber, ob er seinen Pflichtteilsanspruch gegenüber den Erben geltend macht oder nicht. Sinn und Zweck der Regelung des § 852 Abs. 1 ZPO ist es, dass in diese Entscheidungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten nicht eingegriffen wird. Das persönliche Interesse des Pflichtteilsberechtigten, seine Stellung innerhalb der Familie nicht zu beeinträchtigen, ist allerdings dann nicht mehr schützenswert, wenn er sich bereits selbst dazu entschlossen hat, den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen.
Rz. 374
Unter dem Pflichtteilsanspruch i.S.d. § 852 ZPO versteht man nicht nur den ordentlichen Pflichtteilsanspruch und den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB, sondern auch den Pflichtteilsanspruch gegen den Beschenkten nach § 2329 BGB.
Rz. 375
Das Recht auf Ausschlagung kann mangels Abtretbarkeit nicht wirksam nach § 851 ZPO gepfändet werden. Beim Ausschlagungsrecht handelt es sich um ein höchstpersönliches, an die Erbenstellung gebundenes und nicht rechtsgeschäftlich übertragbares Gestaltungsrecht. Bei einem Verstoß gegen das Pfändungsverbot ist die Pfändung allerdings nicht gegenstandslos, vielmehr kann der Drittschuldner die materiell-rechtlich begründete Unpfändbarkeit im Einziehungsprozess einredeweise geltend machen.
II. Voraussetzungen der Pfändung
Rz. 376
Damit der Anspruch vom Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten gepfändet werden kann, muss ein Anerkenntnis vorliegen oder der Anspruch rechtshängig geworden sein.
Rz. 377
Unter dem Begriff eines Anerkenntnisses i.S.d. § 852 ZPO versteht man jede Art der Einigung zwischen dem oder den Erben und dem Pflichtteilsberechtigten über das Bestehen des Anspruchs. Ein Schuldanerkenntnis i.S.d. § 781 BGB ist hierfür nicht erforderlich. Ebenso wenig ist auch eine Schriftform erforderlich. Erkennt der Pflichtteilsschuldner den Anspruch dem Grunde nach an, so ist dies ausreichend. Einer Festlegung der Höhe des Anspruchs bedarf es nicht notwendigerweise. Tritt der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch nach §§ 2317 Abs. 2, 398 BGB ab, so lässt er dadurch ebenfalls erkennen, dass er den Pflichtteilsanspruch geltend machen will. Des Weiteren liegt im Falle einer Abtretung des Pflichtteilsanspruchs ein schutzwürdiges Interesse des Pflichtteilsberechtigten selbst nicht mehr vor, da er es einem Dritten überlässt, den Pflichtteilsanspruch gegenüber seiner "Familie" durchzusetzen. Ob dann der Dritte oder der Gläubiger des Pflichtteilsanspruchs den Pflichtteil durchsetzt, spielt für das schutzwürdige Interesse des Pflichtteilsberechtigten keine Rolle mehr.
Rz. 378
Rechtshängigkeit i.S.d. § 852 ZPO liegt vor, wenn die Klage des Pflichtteilsberechtigten dem oder den Erben zugestellt wird (§§ 261 Abs. 1 und 2, 253 Abs. 1 ZPO). Im Mahnverfahren tritt die Rechtshängigkeit nach §§ 696 Abs. 3, 700 Abs. 2 ZPO ein. Die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags sowie der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids führen allein noch nicht zur Rechtshängigkeit, ebenso wenig die Beantragung einer einstweiligen Verfügung oder eines Arrests.
Rz. 379
Ferner muss die Rechtshängigkeit zum Zeitpunkt der Pfändung noch andauern. Dies ist nicht der Fall, wenn die Klage zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme der Klage jedoch nach der Pfändung, hat dies auf das einmal entstandene Pfandrecht keine Auswirkung. Hat der Pflichtteilsberechtigte nur Auskunftsklage erhoben, liegt ebenfalls keine Rechtshängigkeit i.S.d. § 852 ZPO vor. Allerdings entsteht auf der anderen Seite beim Pflichtteilsberechtigten durch die Pfändung des Anspruchs auch kein Verlust des Auskunftsanspruchs. Der Auskunftsschuldner ist nach erfolgter Pfändung vielmehr verpflichtet, sowohl dem Pfändungsgläubiger als auch dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft zu erteilen.
III. Aufschiebend bedingte Pfändung
Rz. 380
Damit der Gläubiger des Pflichtteilsanspruchs nicht Gefahr läuft, dass er von der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs keine Kenntnis erhält und der Pflichtteilsanspruch dann möglicherweise anderweitig untergeht, stellt sich die Frage, ob der Pflichtteilsanspruch bereits im Vorfeld, für den Fall der späteren Geltendmachung, gepfändet werden kann. Aus Sicht der Rechtsprechung ist dies zulässig. Es handelt sich hierbei um eine Pfändung eines aufschiebend bedingten Anspruchs. Der frühestmögliche Zeitpunkt für die Pfändung des Pflichtteilsanspruchs ist dabei jedoch der Erbfall. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Pflichtteilsanspruch nach § 2317 BGB dann erst entsteht.
Rz. 381
Hat der Gläubiger des Pflichtteilsanspruchs den Pflichtteil gepfändet, erwirk...