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Eine relative Fahruntüchtigkeit i.S.v. § 316 StGB kommt auch nach Drogenkonsum in Betracht; Grenzwerte für die Feststellung einer absoluten Fahruntauglichkeit waren bislang nicht vorhanden. Letzteres dürfte im Wesentlichen politische Gründe haben, da der Gesetzgeber durch die Einführung von Grenzwerten – dies gilt auch für solche der relativen Fahruntüchtigkeit – nicht den Eindruck erwecken will, dass bestimmte Mengen an (harten) Drogen im Hinblick auf die Verkehrssicherheit noch toleriert werden.
Hingegen standen bei Cannabis seit langem ausreichende wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verfügung, wonach unterhalb von bestimmten THC-Werten eine relevante Gefährdungserhöhung auszuschließen ist. Dies hat der Deutsche Bundestag im Jahr 2024 aufgegriffen und durch Verabschiedung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften § 24a StVG – im Anschluss an die Teil-Legalisierung von Cannabis zum 1.4.2024 – einen Grenzwert von 3,5 ng/ml Tetrahydrocannabiol im Blutserum geschaffen (§ 24a Abs. 1a StVG). Unterhalb dieses Grenzwertes scheidet das Vorliegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit aus, es sei denn, der Verkehrsteilnehmer steht zusätzlich unter Alkoholeinfluss (§ 24a Abs. 2a StVG). Eine Anpassung des § 316 StGB wurde nicht vorgenommen.
§ 24a Abs. 2 StVG und § 316 StGB setzen voraus, dass die Fahrt unter Drogeneinfluss im öffentlichen Verkehr durchgeführt wird.
Ist z.B. hinsichtlich der Einnahme von Amphetaminen der Beschuldigte geständig und wird dies durch das Ergebnis der Blutalkoholuntersuchung toxikologisch bestätigt, bedarf es für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis weiterer Feststellungen dazu, dass die Einnahme auch zur Fahruntüchtigkeit i.S.v. § 316 StGB geführt hat. Es entspricht jedoch gängiger Praxis, die Schwelle für relative Fahruntüchtigkeit niedrig anzusetzen und "Ausfallerscheinungen" relativ unkritisch zu bejahen. Der Verteidiger hat hier die Aufgabe, darauf hinzuweisen, dass generelle Zeichen des Drogenkonsums (z.B. gerötete Augen) keine Ausfallerscheinungen darstellen und auch die allzu gerne herangezogene "Nervosität" mit der Kontrollsituation zusammenhängen kann, mithin nicht drogeninduziert sein muss.
Ein Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bei Fahruntüchtigkeit nach dem Konsum von Betäubungsmitteln oder Cannabis ist zurückzuweisen, wenn allein Konsum vorliegt und nicht festgestellt werden kann, dass dieser zur Fahruntüchtigkeit geführt hat.