I. Rechtsgrundlage

 

Rz. 37

Die Entziehung der Fahrerlaubnis im Strafverfahren ist geregelt in § 69 StGB. Es handelt sich hierbei um eine Maßregel, nicht um eine Nebenstrafe. Sie dient also nicht der Sühne, sondern allein der Besserung und Sicherung.[63] Der Strafverteidiger erlebt es aber immer wieder, dass der von einer Führerscheinmaßnahme Betroffene diese als Strafe empfindet.

Der Katalog der Regelbeispiele in § 69 Abs. 2 StGB wurde mit Wirkung vom 13.10.2017 um die Teilnahme oder die Veranstaltung von verbotenen Kraftfahrzeugrennen (§ 315d StGB – neu) ergänzt.[64]

[63] Vgl. Fischer, § 69 Rn 2; Pießkalla/Leitgeb, NZV 2006, 185.
[64] Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung aufgrund des Sechsundfünfzigsten Strafrechtsänderungsgesetzes – Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr vom 30.9.2017 (BGBl. I, S. 3532), in Kraft getreten am 13.10.2017; zum Gesetzgebungsverfahren vgl. BT-Drucks 18/10145, 18/12936.

II. Mögliche prozessuale Verfahren

 

Rz. 38

Die Entscheidung über eine Maßnahme nach § 69 StGB kann in unterschiedlichen prozessualen Verfahren erfolgen. Mögliche Verfahren sind:

Strafbefehl. Durch Strafbefehl ist die Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 407 Abs. 2 Nr. 2 StPO möglich, jedoch mit der Einschränkung, dass die nach § 69a StGB festzusetzende Sperrfrist nicht mehr als 2 Jahre betragen darf.
Beschleunigtes Verfahren. Im beschleunigten Verfahren sind gem. § 417 StPO grundsätzlich keine Maßregeln zulässig. § 419 Abs. 1 S. 3 StPO regelt eine Ausnahme für die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Verfahren in Abwesenheit. Im Verfahren in Abwesenheit des Angeklagten gem. § 232 StPO kann auf eine Maßnahme nach § 69 StGB, also Entziehung der Fahrerlaubnis, erkannt werden, wenn der Angeklagte in der Ladung auf die Möglichkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis hingewiesen worden ist. Ebenso ist zulässig in diesem Verfahren die Verhängung einer "isolierten Sperre" gem. § 69a Abs. 1 S. 3 StGB.
Nach Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen. Auch bei Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen gem. § 233 StPO ist die Verhängung einer Maßregel nach § 69 StGB möglich.
Jugendgerichtsverfahren. Im Jugendgerichtsverfahren ist die Verhängung einer Maßregel gem. § 7 JGG zulässig. Die Anordnung der Maßregel fällt gem. § 39 JGG in die Zuständigkeit des Jugendrichters.
Notwendiger Hinweis nach § 265 StPO. Ist im Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Straftat nicht als Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis gekennzeichnet, so muss das Gericht den Angeklagten darauf hinweisen, dass die Möglichkeit besteht, in der Hauptverhandlung die Fahrerlaubnis zu entziehen.

III. Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis

 

Rz. 39

Als Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis müssen gegeben sein:

Führen eines Kraftfahrzeugs oder
Handeln im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder
Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers und
Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.
Nicht erforderlich ist hingegen ein schuldhaftes Handeln.

Zu den vorstehend genannten Aspekten ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:

1. Führen eines Kraftfahrzeuges

 

Rz. 40

Eine der möglichen Ausgangsvoraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB ist es, dass die in Rede stehende Tat bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges begangen wurde. Somit kommt die Entziehung der Fahrerlaubnis oder eine isolierte Sperrfrist nicht in Betracht bei einer durch einen Radfahrer begangenen Tat.[65] Allerdings ist vom Verteidiger bereits im Strafverfahren die Wechselwirkung von Straf- und Fahrerlaubnisrecht zu bedenken: Wird eine Verurteilung wegen § 316 StGB im Zusammenhang mit dem Führen eines Fahrrades ausgesprochen, wird die Fahrerlaubnisbehörde dies regelmäßig zum Anlass nehmen, die Eignung zum Führen von Kfz zu überprüfen. Anordnungen zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens ergehen bisweilen erst Jahre nach der strafgerichtlichen Verurteilung. Weiter muss beachtet werden, dass dann, wenn das Gericht bei einer (z.B.) Trunkenheitsfahrt mit dem Pkw von der Entziehung der Fahrerlaubnis absieht, der Verteidiger darauf hinwirken sollte, dass das Gericht das Absehen von § 69 StGB sorgfältig begründet. In diesen Fällen kann sich der Verurteilte gegen spätere Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde oftmals unter Verweis auf den in § 3 Abs. 4 StVG vorgesehenen Vorrang des Strafverfahrens zur Wehr setzen: Die Verwaltungsbehörde darf vom Ergebnis der strafgerichtlichen Beurteilung nämlich nicht zu Lasten des Angeklagten abweichen. Dies gilt aber nur, wenn sich die Erwägungen des Strafgerichts zur Eignungsfrage den Urteilsgründen entnehmen lassen.

 

Rz. 41

Auch gilt, dass führerscheinfreie Kraftfahrzeuge nach der Begriffsbestimmung "Kraftfahrzeug" i.S.v. § 69 StGB sind, wenn sie im Übrigen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 StVG erfüllen.[66] Leichtmofas sind ebenfalls Kraftfahrzeuge, so dass sie auch unter die Regelung des § 69 StGB fallen.

 

Rz. 42

Unter dem Führen eines Kraftfahrzeuges ist nach der Definition des BGH "die eigenver...

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