1. Gesetzliche Grundlagen

 

Rz. 14

Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist in § 111a StPO geregelt. Hierdurch soll ermöglicht werden, die Allgemeinheit vor den Gefahren durch einen ungeeigneten Kraftfahrer schon vor dem Eintritt der Rechtskraft eines entsprechenden Urteils zu schützen. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken hat das BVerfG verneint.[12] Zuständig ist gem. § 111a StPO das nach dem jeweiligen Stand des Verfahrens mit der Sache befasste Gericht.[13]

 

Rz. 15

Im Berufungsverfahren[14] ist somit das Berufungsgericht für Beschlüsse gem. § 111a StPO zuständig, und zwar auch für aufhebende Beschlüsse. Auch ist es möglich, dass in der Berufungsinstanz vor Erlass des Berufungsurteils aufgrund einer vom Amtsgericht abweichenden Rechtsmeinung die Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben wird.[15] Während eines Berufungsverfahrens ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis dann aufzuheben, wenn unter Berücksichtigung der von der fortdauernden vorläufigen Maßnahme ausgehenden Wirkung zu erwarten ist, dass der Maßregelausspruch nach § 69 StGB im Urteil aufgehoben werden wird.[16]

 

Rz. 16

Wenn sich das Verfahren in der Revisionsinstanz befindet, ist die Entscheidung gem. § 111a StPO nur noch unter revisionsrechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Eine Prüfung der tatsächlichen Voraussetzung der vorläufigen Entziehungsentscheidung findet deshalb in diesem Stadium nicht mehr statt. Somit kommt eine – grundsätzlich mögliche – isolierte Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Revisionsgericht allenfalls bei Ermessensfehlern oder einer Unverhältnismäßigkeit der Führerscheinmaßnahme in Betracht.[17]

[12] BVerfG NStZ 1982, 78.
[13] NK-GVR/Blum, § 111a StPO Rn 7.
[14] Zum unterschiedlichen Schicksal von Berufungsverfahren nach vorangegangenen § 111a-StPO-Beschlüssen vgl. instruktiv das Editorial von Quarch in SVR 9/2013, S. I.
[15] OLG Hamburg NJW 1963, 1215.
[16] Hentschel, NJW 2000, 696 (705).
[17] Instruktiv OLG Karlsruhe NZV 1999, 345 = DAR 1999, 86 sowie OLG Köln VRS 105, 343; vgl. hierzu auch ausführlich Hentschel, NJW 2000, 696 (705).

2. Polizeiliche Anordnung der Entnahme einer Blutprobe und Verwertungsverbot

 

Rz. 17

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in den Jahren 2007–2010 mehrfach mit den rechtlichen Voraussetzungen der polizeilichen Anordnung der Entnahme einer Blutprobe und eines möglichen Beweisverwertungsverbotes befasst. Hierbei ging es um die Frage der Zulässigkeit einer Eilanordnung von Blutentnahmen durch Strafverfolgungsbehörden bei "Gefahr im Verzug" gem. § 81a Abs. 2 StPO.[18] Herausgearbeitet wurde, dass die Ermittlungsbehörden sich wegen des in dieser Norm geregelten Richtervorbehaltsvor einer eigenen Anordnung einer Blutprobe darum bemühen müssen, eine Entscheidung des zuständigen Ermittlungsrichters oder, wenn dies nicht möglich ist, zumindest des zuständigen Staatsanwalt zu erreichen und dass diese Unternehmungen in der Akte zu dokumentieren sind.[19] Dabei unterliegt das entsprechende Vorgehen der Ermittlungsbehörden der umfassenden nachträglichen Rechtskontrolle durch die befassten Gerichte.[20]

 

Rz. 18

Mittlerweile entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass die Verletzung des Richtervorbehalts im Falle der Eilanordnung einer Blutentnahme gem. § 81a Abs. 2 StPO durch die Strafverfolgungsbehörden bei Verdacht einer Trunkenheitsfahrt im Verkehr in der Regel nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führt. Dies gilt jedoch nicht bei objektiver Willkür.[21] Eine solche objektive Willkür ist z.B. dann anzunehmen, wenn trotz grundsätzlicher Erreichbarkeit der Gerichte überhaupt kein Versuch unternommen wird, den zuständigen Ermittlungsrichter zu erreichen.[22] Auch eine – den Willen des Gesetzgebers eklatant missachtende – Dienstanweisung einer höheren Polizeibehörde, nach der Gefahr im Verzug beim Verdacht von Trunkenheitsfahrten ausnahmslos zu bejahen und die Blutentnahme selbst anzuordnen ist, wird als willkürlich anzusehen sein.[23] Andererseits liegt objektive Willkür noch nicht vor, wenn ein Polizeibeamter aufgrund seines Informationsstandes keine sichere Gewissheit hat, ob er in der nächsten halben Stunde tatsächlich einen zuständigen Ermittlungsrichter erreichen kann, und daraufhin selbst die Entnahme der Blutprobe anordnet.[24] Ebenso liegt keine objektive Willkür vor, wenn der erreichte Ermittlungsrichter eine Entscheidung über die Anordnung einer Blutprobe ohne Vorlage der Akten ablehnt und die Polizei dann selbstständig zur Verhinderung eines Beweismittelverlustes eine solche Maßnahme anordnet.[25]

[19] Zusammenfassend z.B. NK-GVR/Blum, § 81a StPO Rn 6; Hentschel/König/Dauer, § 81a StPO Rn 5; Vergho, SVR 2011, 201; jw. m.w.N.
[20] BVerfG NJW 2010, 2864 = SVR 2010, 432; OLG Bamberg Blutalkohol 50 (2013), 291; vertiefend zur Thematik auch Hettenbach u.a./Pießkalla, Drogen und Straßenverkehr, § 1 Rn 103 ff.
[21] BVerfG NJW 2008, 3053 = SVR 2009, 37; NK-GVR/Blum, § 81a StPO Rn 11f.; Hentschel/König/Dauer, § 81a StPO Rn 6 f...

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