Rz. 242
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Pflichtteilsberechtigte keineswegs unbedingt gehalten ist, seine Ansprüche im Wege der Stufenklage geltend zu machen. Wenn sich die Problematik der Verjährung – noch – nicht stellt, kann es vielmehr aus taktischen Gründen sehr viel sinnvoller sein, zuvor eine isolierte Auskunftsklage zu erheben, da sich dann das Problem der Kostentragung bei einem sich möglicherweise als wertlos herausstellenden Nachlass nicht mehr stellt. Ergibt die Auskunft nämlich, dass kein oder nur unbedeutender Nachlass vorhanden ist, der zur Berechnung eines Pflichtteilsanspruchs dienen könnte, sind die gleichzeitig anhängig gemachten weiteren Stufen etwa auf Wertermittlung, eidesstattliche Versicherung oder auch Zahlung oft gegenstandslos und überflüssig.
Rz. 243
Was geschieht mit solchen Anträgen? Bei der Stufenklage wird aufgrund der Selbstständigkeit einer jeden Stufe auch über jede einzelne Stufe gesondert verhandelt und entschieden. Über jede einzelne Stufe erfolgt eine abgesonderte Antragstellung und auch Verhandlung, die durch Teilurteil oder in der letzten Stufe Schlussurteil entschieden wird. Man wird also im Rahmen der erhobenen Stufenklage im ersten Termin lediglich den Antrag zu Ziff. 1 auf Auskunft stellen. Wenn sich dann, wie oben dargelegt, herausstellt, dass es an einem Leistungsanspruch fehlt, ist die gesamte Stufenklage unbegründet.
Rz. 244
Das Szenario ergibt sich immer dann, wenn sich entweder bereits zu Prozessbeginn herausstellt, dass der Kläger überhaupt keinen Anspruch hat, etwa weil er nicht pflichtteilsberechtigt ist oder aber weil die erteilte Auskunft ergibt, dass die weiteren Ansprüche nicht begründet sein werden. Der Kläger wird dann hinsichtlich des Auskunftsanspruchs die Hauptsache für erledigt erklären. Damit allerdings ist noch nichts über die weiteren – bis dahin nur angekündigten – Anträge gesagt.
Zum Teil wird vertreten, der Kläger könne bei einer derartigen Konstellation nicht die Klage insgesamt für erledigt erklären, da diese von Anfang an unbegründet gewesen sei.
Rz. 245
Um den Kläger nicht mit dieser für ihn ungünstigen Kostenfolge zu belasten, gibt es in der Rechtsprechung unterschiedliche Ansätze:
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Teilweise meint man, der Kläger könne die Leistungsklage insoweit zurücknehmen, ohne dass ihn die Kostenfolge des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO treffe. |
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Teilweise wird vertreten, der Kläger könne nach Erhalt der negativen Auskunft auf den Leistungsanspruch verzichten (§ 306 ZPO), was zu einer Kostenbelastung des Beklagten führen müsse. |
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Der BGH meint, in diesem Fall müssten dem Kläger die Kosten nach § 91a ZPO auferlegt werden, da die Zahlungsklage von Anfang an unbegründet war. Eine Analogie zu § 93 ZPO komme nicht in Betracht. |
Rz. 246
Das Ergebnis dieser Betrachtung wäre dann also eine Kostentragungspflicht des Klägers, der aber oft gezwungen ist, zur Vermeidung der Verjährung den Zahlungsanspruch sofort mit der Auskunftsklage zu verbinden. Der BGH löst das Problem dahingehend, dass einem solchen Kläger dann ein materiell-rechtlicher Schadensersatzanspruch wegen der Kosten zugebilligt wird, wenn diese bei rechtzeitiger Auskunftserteilung vermeidbar gewesen wären. Diesen Schadensersatzanspruch kann dann der Kläger entweder in einem Folgeprozess einfordern oder aber durch Klageänderung verfolgen, die nach Ansicht des BGH gem. § 263 ZPO sachdienlich ist.
Rz. 247
Der Streitwert einer sog. steckengebliebenen Stufenklage ist an den Erwartungen des Klägers zu bemessen. Dabei ist eine objektive Bewertung anhand der mitgeteilten Tatsachen vorzunehmen. Hierbei sind überzogene Wunschvorstellungen ebenso wenig zu berücksichtigen wie ungerechtfertigte Übertreibungen. Fehlen derartige Ansatzpunkte, muss der Streitwert unter Berücksichtigung des Betrags festgesetzt werden, den der Kläger zur Grundlage für seinen Kostenvorschuss festgelegt hat.
Rz. 248
Aus all diesen Gründen ist durchaus zu erwägen, die sich bietenden Stufen nacheinander und jeweils einzeln anhängig zu machen und nicht mit einer Stufenklage zu verbinden.