Rz. 148
§ 2115 BGB gibt dem Nacherben einen Schutz gegen Verfügungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgen. Diese Verfügungen sind insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würden. Vorstellbar ist ja, dass ein Gläubiger eines Vorerben die Zwangsvollstreckung in den Nachlass betreibt, sei es nun wegen einer Nachlassverbindlichkeit oder wegen einer Eigenverbindlichkeit des Vorerben. Der Nacherbe hat aber mit diesen Ansprüchen, insbesondere den persönlichen Verbindlichkeiten des Vorerben, nichts zu tun. Daher wird der Schutz des Nacherben auf derartige Verfügungen erstreckt.
Rz. 149
Von § 2115 BGB ist jedoch nur die Zwangsvollstreckung zur Beitreibung von Geldforderungen erfasst, nicht die Zwangsvollstreckung wegen Nutzungen der Erbschaft, denn diese sind von dem Regime der Vorerbschaft nicht erfasst, vielmehr freies Vermögen des Vorerben.
Auch Teilungsversteigerungen von Nachlassgrundstücken unter mehreren Vorerben muss der Nacherbe gegen sich gelten lassen, da auch die Teilungsversteigerung kein Akt der Zwangsvollstreckung, sondern ein Teil der Erbauseinandersetzung ist. Der Erlös aus der Teilungsversteigerung fällt als Surrogat in den Nachlass und unterliegt dann wiederum der Nacherbfolge.
Rz. 150
Die nach § 2115 BGB gegebene Unwirksamkeit einer Zwangsverfügung macht die Zwangsvollstreckung als solche nicht unzulässig. Das heißt, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die unterhalb der Veräußerung liegen, noch zulässig sind, bspw. die Pfändung oder die Bestellung einer Zwangshypothek, die Durchführung der Zwangsverwaltung oder die bloße Anordnung der Zwangsversteigerung. Es darf jedoch keine Veräußerung des gepfändeten Gegenstands und keine Überweisung der Forderung erfolgen.
Rz. 151
Der Klage nach handelt es sich um eine Drittwiderspruchsklage nach §§ 773 S. 2, 771 ZPO. Der Klageantrag geht darauf, die namentlich zu bezeichnende Vollstreckungsmaßnahme für unzulässig zu erklären.
Rz. 152
Liegen Vollstreckungsmaßnahmen vor, die noch nicht die Qualität einer Verfügung erreicht haben, hat der Nacherbe die Möglichkeit, über § 2128 BGB von dem Vorerben eine Sicherheit zu verlangen. Voraussetzung für dieses Begehren ist die Besorgnis einer erheblichen Verletzung der Rechte des Nacherben durch gefährdendes Verhalten oder ungünstige Vermögenslage. Ein derartiges gefährdendes Verhalten liegt natürlich in allen eigenmächtigen Verfügungen des Vorerben. Das soll schon dann der Fall sein, wenn die Besorgnis einer erheblichen Rechtsverletzung auf Seiten des Vorerben aus Sicht des Nacherben gegeben ist, etwa bei unrichtigen Angaben in einem Nachlassverzeichnis.
Bei den hier diskutierten Zwangsverfügungen von Eigengläubigern des Vorerben, selbst wenn diese nur zu erwarten sind, ist eine ungünstige Vermögenslage anzunehmen. Das würde schon bei einer hohen Verschuldung des Vorerben gelten.
Rz. 153
Verfahrensrechtlich könnten mehrere Nacherben den Anspruch auf Sicherheitsleistung unabhängig voneinander geltend machen. Es handelt sich um eine persönliche Schuld des Vorerben, der zur Erfüllung auch sein Eigenvermögen einsetzen muss. Die Sicherheit kann regelmäßig in Höhe des Nachlasswerts verlangt werden.
Aber: Gegen Grundstücksverfügungen des nicht befreiten Vorerben ist der Nacherbe durch einen entsprechenden Vermerk im Grundbuch nach § 15 GBO ausreichend gesichert. Insoweit könnte er keine Sicherheit verlangen.
Rz. 154
Die Geltendmachung der Sicherheitsleistung erfolgt im Klageweg beim Prozessgericht. Bis zum Erlass einer vollstreckbaren Entscheidung auf Sicherheitsleistung könnte im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ein Arrest oder eine einstweilige Verfügung beantragt werden. Derartige Mittel hätte der Nacherbe auch gegenüber einem befreiten Vorerben.
Rz. 155
Wäre allerdings ein derartiger Antrag auf Erbringung einer Sicherheitsleistung wegen einer konkreten Gefährdung des Nachlasses nicht ein offener Widerspruch zum Gesetz, wonach der befreite Vorerbe doch gerade nicht zur Sicherheitsleistung verpflichtet sein soll? Im Allgemeinen wird man annehmen können, dass ein derartiger einstweiliger Rechtsschutz beim befreiten Vorerben nur dann begründet ist, wenn besondere Gründe die Eingehung dieses hohen Prozessrisikos rechtfertigen. Anderenfalls würde man den in der Literatur formulierten Bedenken wohl nachgehen müssen.
Rz. 156
Die Vollstreckung der Sicherheitsleistung erfolgt nach § 887 ZPO. Dem Anspruch auf Sicherheitsleistung dürfte allerdings ein Antrag auf Anordnung der gerichtlichen Verwaltung über die Erbschaft nach §§ 2128 Abs. 2, 1052 BGB vorzuziehen sein. Einen solchen Antrag kann der Nacherbe dann stellen, wenn der Vorerbe zur Sicherheitsleistung rechtskräftig verurteilt ist und die gerichtlicherseits gesetzte Frist zur Sicherheitsleistung fruchtlos verstrichen ist. In diesem Fall kann bei Gericht der Antrag auf Entziehung der Verwaltung und die Bestellung eines Verwalters eingereicht werden. Zustän...