Rz. 49

Es gilt der Grundsatz, dass eine Leistung an die Erbengemeinschaft gefordert werden muss. Kann aber ein einzelner Miterbe überhaupt ohne Mitwirkung der anderen Erben klagen? Der Miterbe ist Kläger in gesetzlicher Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft.[29]

 

Rz. 50

Es wird dazu teilweise die Auffassung vertreten, dass deswegen immer die Zustimmung aller Miterben erforderlich sei. Gegen den Willen der anderen Miterben könne die Klage eines einzelnen Miterben nicht zulässig sein, weil dann die Prozessführungsbefugnis fehle. Sie sei unzulässig.[30] Das OLG Frankfurt hatte die Auffassung vertreten, dass eine Klage nach § 2039 BGB wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig sei, wenn die Miterben der Klageerhebung widersprochen haben.[31] Da die geltend gemachten Ansprüche zum Nachlass gehörten, der Kläger jedoch nicht Alleinerbe sei, sondern aufgrund gesetzlicher Erbfolge noch zwei weitere Personen Miterben seien, stelle sich die beabsichtigte Klageerhebung als unzulässige Rechtsausübung dar. Die beiden übrigen Miterben hätten ausdrücklich erklärt, dass sie nicht wünschen, dass ein Prozess gegen die Beklagte geführt werde. Widersprächen aber die Miterben der Klageerhebung, liege in Missbrauch der Prozessführungsbefugnis vor, der zur Abweisung der Klage als unzulässig führe.[32]

 

Rz. 51

Demgegenüber wird teilweise argumentiert, es sei zwar richtig, dass die Miterben eine Mitwirkungspflicht haben, diese Mitwirkungspflicht beschränke sich aber auf die Leistungsannahme nach erfolgter Verurteilung. Hätte also ein einzelner Miterbe eine Klage auf Leistung an die Erbengemeinschaft erhoben und würden sich dann die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft mehrheitlich gegen die Annahme der Leistung wenden, was ihnen aufgrund § 745 Abs. 2 i.V.m. § 2038 Abs. 2 S. 1 BGB möglich wäre, müsste der so verurteilte Schuldner zwar nicht erfüllen, der überstimmte Miterbe kann aber nach § 2039 S. 2 BGB vorgehen, so dass der Verurteilte dann hinterlegen müsste.[33]

 

Rz. 52

Es ist noch nicht absehbar, welche Auffassung sich letztlich durchsetzen wird. Man wird allerdings das Risiko einer Klageerhebung gegen den erklärten Willen der Miterben mit der klagewilligen Partei erörtern müssen.

 

Rz. 53

Im Klagerubrum kann sich empfehlen, bei einer Klage eines einzelnen Miterben deutlich zu machen, dass dieser tatsächlich als Mitglied der Erbengemeinschaft klagt. Der so in Anspruch genommene Beklagte kann dem Anspruch nur solche Gegenrechte entgegenhalten, die sich gegen die Erbengemeinschaft richten, nicht aber Rechte, die ihm nur gegen einzelne Miterben zustehen, selbst nicht gegenüber demjenigen, der den Anspruch durchsetzt.[34]

Ausnahme: Der klagende Miterbe verhält sich arglistig gegenüber dem Beklagten und die übrigen Miterben, denen die Arglist nicht vorgeworfen werden kann, haben der Klage widersprochen. In einem solchen Fall wurde die Klage als unzulässig abgewiesen.[35]

 

Rz. 54

Ein in einem Verfahren eines einzelnen Miterben ergehendes Urteil wirkt nur im Verhältnis der Prozessparteien, nicht jedoch für oder gegen die anderen Miterben.[36]

Die Zwangsvollstreckung kann nur der Miterbe betreiben, der das Urteil erwirkt hat.[37]

[29] Zöller/Vollkommer, Vor § 50 Rn 23.
[30] Formularbuch FA Erbrecht/Hermes, C Rn 345; OLG Frankfurt v. 23.3.2012 – 19 W 2/12, ZEV 2012, 362.
[32] OLG Frankfurt v. 23.3.2012 – 19 W 2/12, ZEV 2012, 362 unter Hinw. auf BGH v. 11.1.1966 – V ZR 160/65.
[33] Bonefeld/Kroiß/Tanck/Bonefeld, Der Erbprozess, § 1 Rn 94 m. w. Fundstellen.
[34] BGH v. 11.1.1966 – V ZR 160/65, BGHZ 44, 367.
[35] BGH v. 11.1.1966 – V ZR 160/65, BGHZ 44, 367.
[36] BGHZ v. 5.4.2006 – IV ZR 139/05, 167, 150; BeckOK BGB/Lohmann, § 2039 Rn 11.
[37] Staudinger/Werner, § 2039 Rn 28.

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