I. Allgemeines
Rz. 183
Der Vermächtnisnehmer hat nach § 1939 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung des ihm zugewandten Gegenstands. Das Vermächtnis ist gesetzlich wie folgt definiert: "Der Erblasser kann durch Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden (Vermächtnis)." Die weiteren im Vermächtnisrecht geltenden Vorschriften finden sich in den §§ 2147–2191 BGB.
Das Vermächtnis ist der am häufigsten anzutreffende Fall des sog. einseitigen Schuldverhältnisses nach den §§ 241–304, 311 BGB. Es handelt sich um einen originär erbrechtlichen Anspruch.
II. Einige denkbare Klagen im Rahmen des Vermächtnisrechts
1. Klage auf Auskunft über den Vermächtnisgegenstand
Rz. 184
Dem Vermächtnisnehmer selbst steht grundsätzlich kein Auskunftsanspruch gegenüber dem Erben zu, sofern er nicht auch Pflichtteilsberechtigter ist – was ihm ein Auskunftsrecht nach § 2314 BGB eröffnen würde – oder ihm ein Auskunftsanspruch mit vermacht worden ist. Die zuletzt genannte Alternative ist außerordentlich empfehlenswert im Rahmen der Gestaltung, um den Vermächtnisnehmer in seinen Rechten zu stärken.
Auskunftsklagen des Vermächtnisnehmers können ansonsten nur ausnahmsweise über § 242 BGB begründet werden. Eine Auskunftspflicht aus § 242 BGB wird dann ausnahmsweise bejaht, wenn die Auskunft für die Durchsetzung des Anspruchs gegenüber dem Beschwerten erforderlich ist.
Rz. 185
Demzufolge ist dem Vermächtnisnehmer in diesen Fällen ein Auskunftsanspruch über die Existenz und den Verbleib des Vermächtnisgegenstands im Nachlass zuzubilligen, und auch über Verfügungen des Erblassers oder des Beschwerten über den Vermächtnisgegenstand zu Lebzeiten des Erblassers oder nach dessen Tod, soweit diese die Erfüllung des Vermächtnisgegenstands beeinträchtigen könnten. Ferner können sich Auskunftsansprüche ergeben aus der Rechtsnatur des Vermächtnisses selbst, insbesondere bei Quotenvermächtnissen, wenn sich die Höhe des Vermächtnisses aus dem Brutto- oder Nettonachlass errechnet. Dann ist der Erbe wie gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten verpflichtet, analog § 2314 BGB den Bestand und den Wert des Nachlasses darzulegen.
Die Formulierung des entsprechenden Auskunftsanspruchs bereitet keine weiteren Schwierigkeiten. Sachlich zuständig ist das Prozessgericht.
Im Fall der Nichterfüllung der Auskunftspflicht müsste die Vollstreckung nach § 888 ZPO (unvertretbare Handlung) dahingehend erfolgen, dass Zwangsmittel festgesetzt werden.
2. Klage auf Rechnungslegung
Rz. 186
Denkbar ist darüber hinaus eine Klage des Vermächtnisnehmers auf Rechnungslegung über die Einnahmen und Ausgaben, soweit der Vermächtnisanspruch sich am Wert des Reinnachlasses bemisst. Gleiches gilt, wenn der Anspruch nach dem steuerlichen Gewinn berechnet werden soll. In diesem Fall hat der Vermächtnisnehmer einen Anspruch auf Vorlage der Gewinnfeststellung durch das Finanzamt.
Steht dem Bedachten ein sog. Wahlvermächtnis zu, hat er gegenüber dem Beschwerten einen Anspruch auf Vorlage der zur Wahl stehenden Sachen.
Auch hier müsste im Fall der Nichterteilung der Auskunft die Vollstreckung nach § 888 ZPO dahingehend erfolgen, dass Zwangsmittel festgesetzt werden.
3. Klage auf Feststellung des Vermächtnisanspruchs
Rz. 187
Eine derartige Feststellungsklage ist denkbar, wenn der Vermächtnisanspruch zwar mit dem Erbfall entstanden ist, aber noch nicht fällig ist, etwa dann, wenn das Vermächtnis erst nach einer bestimmten Zeit, gerechnet vom Erbfall an, erfüllt werden muss. Wenn dann die Wirksamkeit der Vermächtnisanordnung zwischen dem Vermächtnisnehmer und dem Beschwerten streitig ist, wird eine Feststellungsklage für zulässig gehalten. Voraussetzung ist, dass das behauptete Recht des Vermächtnisnehmers durch eine gegenwärtige Unsicherheit gefährdet und das Urteil dazu geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen.
Rz. 188
Mögliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit einer Vermächtnisanordnung können die unterschiedlichsten Gründe haben. So könnte sich bspw. der Erbe auf eine bereits eingetretene Bindungswirkung des Erblassers berufen, die sich aus einem vorangegangenen gemeinschaftlichen Testament (§ 2271 Abs. 2 BGB) oder aufgrund eines Erbvertrags (§ 2289 BGB) ergeben könnte. Aus diesen Gründen könnte die Anordnung des Vermächtnisses dann unwirksam sein. Streitig könnte auch die Testierfähigkeit des Erblassers sein bzw. sonstige Formfragen.
III. Örtliche Zuständigkeit
Rz. 189
Auch hier gilt der besondere Gerichtsstand der Erbschaft (§ 27 ZPO).