I. Recht auf Einsicht in die Nachlassakten
Rz. 190
Da der Pflichtteilsberechtigte ein berechtigtes Interesse daran hat, sich Kenntnis vom Umfang des Nachlasses und damit von der Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen, hat er gem. § 13 FamFG das Recht auf Akteneinsicht, das auch die Nachlassaufstellung umfasst. Dass diese Aufstellung für einen anderen Zweck erstellt wurde, steht dem berechtigten Interesse des Pflichtteilsberechtigten nicht entgegen. Dem Recht auf Akteneinsicht steht im Übrigen nicht der Einwand entgegen, dass der Pflichtteilsberechtigte sich auf andere Art und Weise Kenntnis über den Nachlassbestand verschaffen könnte (§ 2314 BGB).
II. Allgemeines zum Auskunftsanspruch
Rz. 191
Da der Pflichtteilsberechtigte selbst keinen Zugriff auf den Nachlass hat, verfügt er nicht über die notwendigen Informationen, seinen Pflichtteilsanspruch zu beziffern. Daher hat er gem. § 2314 BGB einen Anspruch gegenüber dem Erben auf
Der Anspruch auf Auskunft richtet sich auf die Übermittlung und Weitergabe von Wissen, das der Verpflichtete hat oder sich verschaffen muss. Die Auskunft muss schriftlich erteilt werden, damit der Pflichtteilsberechtigte in die Lage versetzt wird, seinen Anspruch zuverlässig berechnen zu können.
Rz. 192
Der Pflichtteilsberechtigte hat im Rahmen des § 2314 BGB konkret fünf verschiedene Rechte, nämlich:
▪ |
das Recht auf Auskunft über den Bestand des effektiven und fiktiven Nachlasses durch Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses; |
▪ |
das Recht auf Aufnahme des Nachlassverzeichnisses durch eine Behörde oder einen Notar; |
▪ |
das Recht auf Hinzuziehung bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses – gleichgültig, ob privatschriftlich oder notariell; |
▪ |
das Recht auf eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskunft; |
▪ |
das Recht auf Auskunft über den Wert des effektiven und fiktiven Nachlasses. |
III. Das Nachlassverzeichnis
1. Das private Nachlassverzeichnis
Rz. 193
Das private Nachlassverzeichnis ist schriftlich abzufassen. In der Praxis hat sich die Abfassung in der Form einer Bilanz bewährt. Es muss alle tatsächlich vorhandenen und fiktiven Nachlassgegenstände und Schulden ausweisen. Bei Schenkungen ist das jeweilige Datum der Schenkung anzugeben. Die Gegenstände müssen einzeln verzeichnet sein, die Darstellung muss insgesamt übersichtlich sein. Aktiva und Passiva sind getrennt voneinander auszuweisen. Die Angaben zum Nachlassbestand sind von den rechtlichen Angaben zu trennen. Zum Inhalt siehe im Einzelnen Rdn 204.
Rz. 194
Es kommt in der Praxis häufig vor, dass Angaben zum Nachlass Stück für Stück erfolgen, was häufig damit zu tun hat, dass der Erbe nicht in der Lage ist, die Auskünfte gewissermaßen in einem Schwung zu erteilen, da er selbst die Erkenntnisse erst nach und nach erlangt. Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, wenn der Erbe mehrere Teilverzeichnisse vorlegt, wenn er nur dadurch alle geschuldeten Informationen in geeigneter Form erteilt. Vor diesem Hintergrund kann auch eine Erfüllung des Anspruchs durch entsprechende Ergänzung eines bereits bestehenden Verzeichnisses erfolgen.
Rz. 195
Eine Verpflichtung, zusätzlich Belege über den Nachlassbestand vorzulegen, besteht zunächst grundsätzlich nicht. Die Rechtsprechung hat nur bei unübersichtlichen Nachlässen im Einzelfall eine Belegvorlage als verpflichtend angenommen. Das wird in der Literatur zum Teil kritisch gesehen.
Rz. 196
Fraglich ist, ob ein privates Nachlassverzeichnis vom Auskunftspflichtigen unterzeichnet sein muss oder ob es durch einen Anwaltsschriftsatz vorgelegt werden kann. Man kann sich hier der absolut herrschenden Auffassung anschließen, dass die vom Erben nach § 2314 BGB geschuldete Auskunft nicht von diesem eigenhändig unterschrieben werden muss, denn das Gesetz schreibt insoweit keine bestimmte Form vor. Die von den Gerichten zum Teil vertretene gegenteilige Rechtsauffassung kann nicht sachlich begründet werden. Die geforderte Auskunft kann nicht als höchstpersönliche Verpflichtung eingestuft werden. Es spricht kein rechtlich überzeugendes Argument dagegen, dass der Anwalt hier als Bote des Erklärenden eingesetzt werden könnte.
2. Das amtliche Nachlassverzeichnis
Rz. 197
Das amtliche bzw. notarielle Nachlassverzeichnis ist eine Beurkundungshandlung, wofür also der Notar zuständig is...