1. Anwartschaftsrecht
Rz. 144
Mit dem Tod des Erblassers erwirbt der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht, das regelmäßig vererblich und übertragbar ist (§ 2108 Abs. 2 S. 1 BGB). Ein solches Anwartschaftsrecht beinhaltet einen Zustand, der dem Berechtigten schon eine gesicherte Rechtsposition zuerkennt, weil von dem in der Entstehung befindlichen Recht schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass dem Berechtigten das Recht nicht mehr genommen werden kann.
2. Klage auf Feststellung des Zustands der Erbschaft
Rz. 145
Während der Dauer der Vorerbschaft ist an sich der Vorerbe für die Verwaltung des Nachlasses zuständig. Nun kann es sein, dass der Vorerbe den Nachlass nicht ordnungsgemäß verwaltet. Daraus könnten dem Nacherben anschließend Ersatzansprüche erwachsen. Um dem Nacherben hier eine Beweissicherungsmöglichkeit zu geben, eröffnet § 2122 BGB im Satz 2 die Möglichkeit, den Zustand der Sache durch einen Sachverständigen schon während der Dauer der Vorerbschaft feststellen zu lassen. Der Anspruch erstreckt sich auch auf Surrogate (§ 2111 BGB).
Die Geltendmachung des Anspruchs ist nicht auf eine einmalige Ausübung beschränkt; die Grenze ist hier lediglich das Schikaneverbot des § 226 BGB.
Es ist nicht möglich, den Vorerben von der Verpflichtung zu befreien, dieses zuzulassen.
Rz. 146
Eine entsprechende Feststellungsklage kann auf einzelne Nachlassgegenstände beschränkt werden, darf aber nicht ausschließlich auf den Wert der Nachlassgegenstände gehen, denn das Ziel dieses Anspruchs ist nicht eine Wertermittlung, sondern die Feststellung des tatsächlichen Zustands der Erbschaft. Daher scheiden auch Rechte als Gegenstand der Feststellung aus; der Nacherbe hat auch keinen Anspruch auf Vorlage einer Bilanz.
Rz. 147
Es handelt sich um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die Kosten eines solchen Verfahrens trägt jeweils der Antragsteller, vorliegend wäre also der Nacherbe kostenpflichtig.
3. Schutz des Nacherben gegen Zugriff der Gläubiger des Vorerben
Rz. 148
§ 2115 BGB gibt dem Nacherben einen Schutz gegen Verfügungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgen. Diese Verfügungen sind insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würden. Vorstellbar ist ja, dass ein Gläubiger eines Vorerben die Zwangsvollstreckung in den Nachlass betreibt, sei es nun wegen einer Nachlassverbindlichkeit oder wegen einer Eigenverbindlichkeit des Vorerben. Der Nacherbe hat aber mit diesen Ansprüchen, insbesondere den persönlichen Verbindlichkeiten des Vorerben, nichts zu tun. Daher wird der Schutz des Nacherben auf derartige Verfügungen erstreckt.
Rz. 149
Von § 2115 BGB ist jedoch nur die Zwangsvollstreckung zur Beitreibung von Geldforderungen erfasst, nicht die Zwangsvollstreckung wegen Nutzungen der Erbschaft, denn diese sind von dem Regime der Vorerbschaft nicht erfasst, vielmehr freies Vermögen des Vorerben.
Auch Teilungsversteigerungen von Nachlassgrundstücken unter mehreren Vorerben muss der Nacherbe gegen sich gelten lassen, da auch die Teilungsversteigerung kein Akt der Zwangsvollstreckung, sondern ein Teil der Erbauseinandersetzung ist. Der Erlös aus der Teilungsversteigerung fällt als Surrogat in den Nachlass und unterliegt dann wiederum der Nacherbfolge.
Rz. 150
Die nach § 2115 BGB gegebene Unwirksamkeit einer Zwangsverfügung macht die Zwangsvollstreckung als solche nicht unzulässig. Das heißt, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, die unterhalb der Veräußerung liegen, noch zulässig sind, bspw. die Pfändung oder die Bestellung einer Zwangshypothek, die Durchführung der Zwangsverwaltung oder die bloße Anordnung der Zwangsversteigerung. Es darf jedoch keine Veräußerung des gepfändeten Gegenstands und keine Überweisung der Forderung erfolgen.
Rz. 151
Der Klage nach handelt es sich um eine Drittwiderspruchsklage nach §§ 773 S. 2, 771 ZPO. Der Klageantrag geht darauf, die namentlich zu bezeichnende Vollstreckungsmaßnahme für unzulässig zu erklären.
Rz. 152
Liegen Vollstreckungsmaßnahmen vor, die noch nicht die Qualität einer Verfügung erreicht haben, hat der Nacherbe die Möglichkeit, über § 2128 BGB von dem Vorerben eine Sicherheit zu verlangen. Voraussetzung für dieses Begehren ist die Besorgnis einer erheblichen Verletzung der Rechte des Nacherben durch gefährdendes Verhalten oder ungünstige Vermögenslage. Ein derartiges gefährdendes Verhalten liegt natürlich in allen eigenmächtigen Verfügungen des Vorerben. Das soll schon dann der Fall sein, wenn die Besorgnis einer erheblichen Rechtsverletzung auf Seiten des Vorerben aus Sicht des Nacherben gegeben ist, etwa bei unrichtigen Angaben in einem Nachlassverzeichnis.
Bei den hier diskutierten Zwangsverfügungen von Eigengläubigern des Vorerben, selbst wenn diese nur zu erwarten sind, ist eine ungünstige Vermögenslage anzunehmen. Das würde schon bei einer hohen Verschuldung des Vorerben gelten.
Rz. 153
Verfahrensrechtlich könnten mehrere Nacherben den Anspruch auf Sicherheitsleistung unabhängig voneinander...