Rz. 209
Wird eine Ersatzkraft eingestellt, ist grundsätzlich das gezahlte Bruttoentgelt zuzüglich der Beiträge zur Sozialversicherung zu erstatten. Der Schädiger bzw. der Versicherer kann allenfalls einwenden, dass die Ersatzkraft für eine zu hohe Stundenzahl oder eine überteuerte Entlohnung eingestellt worden sei. Wurde die Ersatzkraft in zu weitgehendem Umfang beschäftigt oder war sie überqualifiziert bzw. zu teuer, sind die aufgewendeten Kosten nur teilweise zu ersetzen. Wurde der Ausfall des Haushaltsführenden durch die eingestellte Ersatzkraft nur teilweise ausgeglichen, kann der nicht durch die Ersatzkraft ausgeglichene Ausfall zusätzlich fiktiv auf Nettolohnbasis abgerechnet werden.
Rz. 210
Wird keine Ersatzkraft eingestellt, weil man sich anderweitig behilft (z.B. die übrigen Familienmitglieder oder Verwandte übernehmen die Hausarbeit), ist einem verletzten Haushaltsführenden, etwa der Hausfrau, der fiktive Nettolohn einer erforderlichen und geeigneten Hilfskraft zu ersetzen. Beim Haushaltsführungsschaden ist also eine fiktive Abrechnung zulässig. Die Abrechnung hat sich am Nettolohn einer erforderlichen Ersatzkraft zu orientieren.
Rz. 211
Für die Ermittlung des Nettolohns wurde lange Zeit üblicherweise der Bundesangestelltentarif (BAT) herangezogen. Dieser ist ab 1.10.2005 für den Bund durch den Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) und ab 1.11.2006 für die Länder durch den Tarifvertrag öffentlicher Dienst – Länderbereich (TV-L) ersetzt. Der Ablösung des Bundesangestelltentarifs durch den TVöD wollen Schulz-Borck/Hofmann und Pardey in der Weise Rechnung tragen, dass die Werte des TVöD übernommen werden. Dies ist sicher eine aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende Schätzungshilfe, mag auch die Anwendung nicht ganz einfach sein. In der Rechtsprechung wird durchaus zum Teil nach TVöD gerechnet. Andererseits ist die Heranziehung des TVöD nicht zwingend. Inzwischen gibt es auch in allen Bundesländern Tarifverträge für den Bereich der hauswirtschaftlichen Tätigkeit (Tarifverträge des Deutschen Hausfrauenbundes mit der Gewerkschaft Nahrung – Genuss – Gaststätten). Für deren Heranziehung spricht durchaus einiges und sie wird auch zunehmend befürwortet. Zumindest für Altfälle wird noch weiterhin mit dem BAT gerechnet werden können. Der Bundesgerichtshof hat eine Schätzung des Haushaltsführungsschadens nach Bundesangestelltentarif für einen Unfall im Jahr 2003 gebilligt. Das OLG Brandenburg hat noch kürzlich hinsichtlich eines 2001 geschehenen Unfalls für die ab 1.1.2009 erforderliche Zukunftsschätzung bis 2036 die Werte des Bundesangestelltentarif-Ost zugrunde gelegt.
Rz. 212
Verschiedentlich werfen die Gerichte bestimmte Stundensätze aus, die sich zwischen 7,50 EUR und 10 EUR bewegen. Auch das ist zulässig. In dieser Spanne bewegen sich auch in etwa die neuesten Werte bei Nickel/Schwab, wobei je nach Bundesland deutliche Unterschiede bestehen. Auch die bei Pardey aufgelisteten Urteile bewegen sich in diesem Rahmen.Schah Sedi hält 10 EUR für den Mindestbetrag. Das Gericht muss allerdings zumindest andeutungsweise seine Schätzungsgrundlage darlegen, damit die Sache in der Revisionsinstanz hält. Die Beanstandung des Bundesgerichtshof in dem letztgenannten Urteil ist etwas überraschend, da sich die Sätze der verschiedenen Oberlandesgerichte seit Jahren eingespielt haben und in der Anwaltschaft bekannt sein sollten. Sie liegen auch offensichtlich innerhalb einer akzeptablen Marge. Die vom Bundesgerichtshof vermisste Begründung lässt sich problemlos durch Verweis auf das gerichtsbekannte Lohnniveau im Oberlandesgerichtsbezirk nachholen. Eine interessante und tragfähige Begründung ergibt sich auch, wenn sich das Gericht an § 42 SGB VII in Verbindung mit § 54 Abs. 1 SGB IX, § 38 Abs. 4 SGB V orientiert. Danach sind die Kosten einer selbstbeschafften Haushaltshilfe in angemessener Höhe zu übernehmen. Als angemessen gelten im Sozialrecht die nachgewiesenen Aufwendungen bis zu einem kalendertäglichen Höchstsatz von 64 EUR bzw. ein Höchstsatz von 8 EUR pro Stunde. Auf dieser Grundlage kann ein Stundensatz von 9 EUR ohne Rechtsfehler als angemessen angesehen werden. Der in § 21 JVEG als Entschädigung von Zeugen für Nachteile bei der Haushaltsführung geregelte Stundenlohn für (früher 12 EUR bzw. 14 EUR) ist ersichtlich keine geeignete Schätzungsgrundlage.
Rz. 213
Bei der Anwendung der Tabellen von Schulz-Borck/Hofmann kommt man zu Brutto-Stundensätzen von 10–12 EUR und Netto-Stundensätzen von 8–9 EUR. Bei wenigen auszugleichenden Ausfallstunden sind die Unterschiede nicht erheblich. Bei höherem Ausfall ist in der Vergangenheit teilweise im Wege der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO von den ermittelten Bruttobeträgen pauschal ein Abzug von 30 % vorgenommen worden; das dürfte angesichts der heute vorliegenden Schätzungsgrundlagen in der Regel als allzu pauschal erscheinen.