Rz. 106
Die aufgrund zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche vom Schädiger zu erstattende Verdienstausfallrente ist steuerpflichtig. Nach § 24 Nr. 1a EStG gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Entschädigungen in diesem Sinn liegen vor, wenn Leistungen unmittelbar dazu dienen, den Verlust von entgangenen oder entgehenden Einnahmen auszugleichen, die, ihren Zufluss unterstellt, unter eine der in § 2 Abs. 3 Nr. 1–7 EStG genannten Einkunftsarten gefallen wären. Wird Ersatz für andere, bereits steuerbare Einkünfte geleistet, z.B. wegen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit, ist die Schadensersatzrente zu versteuern. Anderes gilt für Mehrbedarfsrenten und Schadensersatzrenten nach § 844 Abs. 2 BGB, die den durch den Tod des Ehegatten eingetretenen materiellen Unterhaltsschaden ausgleichen. Maßgeblich ist die Einkommensteuertabelle, nicht die Lohnsteuertabelle.
Rz. 107
Ersetzt der Schädiger demgemäß die vom Verletzten zu entrichtende Einkommenssteuer, so ist dieser Steuerbetrag wiederum steuerpflichtig. Ist die Ermittlung der zu ersetzenden Steuer der Höhe nach – wie es häufig der Fall ist – noch nicht möglich, kommt eine Feststellung der Ersatzpflicht des Schädigers in Betracht. Stets können jedoch nur tatsächlich zu zahlende Steuern schadensrechtlich geltend gemacht werden, nicht hingegen kann der Steuerschaden nach einem fiktiven Steuerbetrag bemessen werden, der einer real nicht bestehenden Lage entsprechen würde.
Rz. 108
Unfallbedingte Steuerersparnisse des Geschädigten sind anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Sie kommen grundsätzlich dem Schädiger zugute. Das gilt dann nicht, wenn gerade der Zweck der Steuervergünstigung solcher Entlastung entgegensteht.
Rz. 109
Zugunsten des Schädigers ist vor allem die Steuerfreiheit bestimmter Leistungen gem. § 3 EStG zu berücksichtigen. Insbesondere geht es hier um Leistungen aus der gesetzlichen Kranken-, Pflege und Unfallversicherung (z.B. Krankengeld, Verletztenrente, Übergangsgeld; § 3 Nr. 1 EStG), die Steuerfreiheit des Arbeitslosengeldes, der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe (§ 3 Nr. 2, 2a, 2b EStG) sowie die teilweise Steuerfreiheit der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit sie nur mit ihrem Ertragsanteil versteuert werden. Auch die im Fall einer nur quotenmäßigen Haftung des Schädigers auftretende steuerliche Progressionsdifferenz ist zugunsten des Schädigers zu berücksichtigen. Wenn und soweit infolge der Schädigung an sich geschuldete Steuern weggefallen sind, muss sich der Geschädigte dies im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen; dies gilt dann nicht, wenn diesem Steuervorteil ein Nachzahlungsanspruch des Finanzamts gegenübersteht, selbst wenn dieser infolge Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden kann.
Rz. 110
Manche Steuervorteile verbleiben beim Geschädigten. So ist die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kein zugunsten des Schädigers zu berücksichtigender Vorteil, und zwar auch dann, wenn der Geschädigte wegen der Höhe seiner übrigen Einkünfte ohnehin der Höchstbesteuerung unterliegt, so dass die Zusammenballung von laufenden Einkünften und Entschädigungsleistung ausnahmsweise keine zusätzliche Progressionswirkung auslöst. Der Schädiger wird ferner nicht entlastet durch Pauschalbeträge für Körperbehinderte (§ 33b EStG), den Steuervorteil einer Tarifermäßigung nach verspäteter Zahlung und den Steuervorteil infolge Verjährung.
Rz. 111
Nach Möglichkeit sollte der Geschädigte durch den Schadensfall keine steuerlichen Nachteile erleiden. Steuervergünstigungen, die der Geschädigte auch ohne den Unfall gehabt hätte, z.B. durch die steuerliche Zusammenveranlagung oder durch Abschreibungsmöglichkeiten, müssen ihm auch im Schadensfall verbleiben, da er durch Leistung des Schadensersatzes über denselben Betrag verfügen soll wie ohne den Unfall. Ist im Zeitpunkt der Bezahlung der Schadensersatzbeträge der Steuertarif höher als zur Zeit der Schadensentstehung, geht eine derartige Veränderung grundsätzlich zulasten des Schädigers; andererseits darf auch eine zwischenzeitliche Ermäßigung des Steuertarifs dem Schädiger nicht zugutekommen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine bei einem Unfall verletzte erwerbstätige Ehefrau, die zusammen mit ihrem ein höheres Einkommen erzielenden Ehemann die gemeinsame Steuerveranlagung gewählt hatte, vom Schädiger, der neben dem entgangenen Nettoverdienst die Steuern zu ersetzen hat, nur den Einkommenssteuerbetrag ersetzt verlangen kann, der sich ergäbe, wenn sie allein zur Steuer veranlagt würde. Richtigerweise dürfte diese Frage zu verneinen sein; war schon vor dem Schadensereignis die Zusammenveranlagung praktiziert worden, so muss der Ersatzpflichtige die Verhältnisse so hinnehmen, wie sie ohne den Unfall tatsächlich bestanden hätten.
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