Rz. 115
War der Verletzte im Unfallzeitpunkt in der gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherungspflichtig (§ 5 SGB V) und erspart er unfallbedingt Krankenversicherungsbeiträge, die er ohne das Schadensereignis aus seinem Arbeitseinkommen hätte entrichten müssen, so ist grundsätzlich der an dem fiktiven Bruttoverdienst des Verletzten orientierte Verdienstausfallanspruch um diese Ersparnis zu kürzen. Denn der Schädiger ist – soweit nicht gesetzliche Regelungen etwas anderes anordnen – nur dann zur Erstattung von Aufwendungen für die Aufrechterhaltung des Krankenversicherungsschutzes verpflichtet, wenn der Verletzte (oder während der Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit dessen Arbeitgeber oder ein anderweitiger Leistungsträger) entsprechende Aufwendungen tatsächlich gehabt hat. Das bedeutet:
Rz. 116
Während der Zeit der Lohn- und Gehaltsfortzahlung durch den Arbeitgeber hat dieser weiterhin die vollen Krankenversicherungsbeiträge zu entrichten; demgemäß hat der Schädiger auch die Arbeitgeberanteile der Krankenversicherungsbeiträge zu ersetzen (zu dem auf den Arbeitgeber übergegangenen Schadensersatzanspruch vgl. Rdn 66 ff.).
Rz. 117
Erhält der Verletzte im Anschluss an die Lohn- oder Gehaltsfortzahlung Krankengeld, so ist er während dieses Zeitraums beitragsfrei weiterversichert (§ 224 Abs. 1 SGB V). Trotz der Beitragsfreiheit kann die Krankenkasse ihre Gesamtaufwendungen, also das Nettokrankengeld und die abzuführenden Sozialbeiträge einschließlich eines (fiktiven) Krankenkassenbeitrags, den der Geschädigte ohne Unfall von seinem Bruttoeinkommen an sie abzuführen hätte, vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 116 Abs. 1 SGB X regressieren, wobei der Anspruch auf Ersatz des fiktiven Krangenkassenbeitrags mit Wirkung ab dem 1.1.2001 in § 116 Abs. 1 S. 2 SGB X ausdrücklich normiert ist (zuvor galt insoweit § 119 SGB X a.F.). Nach dem schon seit 1.1.1992 geltenden § 224 Abs. 2 SGB V wird durch die Beitragsfreiheit ein Anspruch auf Schadensersatz nicht ausgeschlossen oder gemindert; der Schädiger soll von der Beitragsfreiheit nicht profitieren.
Rz. 118
Ist der Verletzte freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 9 SGB V) oder bei einer privaten Krankenversicherung versichert, hat der Schädiger die hierfür erforderlichen Beiträge dem Verletzten zusätzlich zu dem nach der Nettolohnmethode ermittelten Verdienstausfall zu ersetzen, soweit sich ein unfallbedingter Mehraufwand ergibt. Versichert sich der Verletzte in einem derartigen Fall nicht, so muss er sich – hinsichtlich später für ihn entstehender Krankheitsaufwendungen – gemäß § 254 Abs. 2 BGB entgegenhalten lassen, dass er an Schadensersatz nur so viel fordern kann, wie er bei Abschluss der Weiterversicherung oder der privaten Versicherung hätte aufwenden müssen. Hat der Geschädigte vor oder auch erst nach dem Unfallereignis eine private Krankentagegeldversicherung abgeschlossen und muss er hierfür wegen der Risikoerhöhung durch die Unfallfolgen einen höheren Beitrag zahlen, so kann auch diese Beitragsdifferenz von der Schadensersatzpflicht umfasst sein.
Rz. 119
Findet der Verletzte unfallbedingt keine neue Arbeitsstelle, so ist er während des Bezugs von Arbeitslosengeld nach SGB II gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2, 2a SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Die Beiträge zahlen die Bundesagentur für Arbeit oder die zuständigen kommunalen Träger (§ 252 Abs. 1 SGB V). Sofern die Leistungserbringung als Unfallfolge anzusehen ist und zu einem Anspruchsübergang führt (vgl. unten Rdn 171 ff.), umfasst der Schadensersatzanspruch auch die Beitragsleistung.
Rz. 120
Ist die Arbeitsfähigkeit des Verletzten nur vermindert oder wird er wieder teilweise arbeitsfähig und übt eine geringer bezahlte Tätigkeit aus, sodass er auch nur einen verminderten Krankenversicherungsbeitrag zu zahlen hat, so stellt die Beitragsdifferenz keinen zu ersetzenden Schaden dar. Die Leistungen der Krankenkasse sind nicht abhängig von der Beitragshöhe; in der Krankenversicherung gibt es auch keine Möglichkeit, Leistungsverkürzungen durch höhere Beiträge abzuwenden. Sofern das geringere Einkommen später zu einem geringeren Krankengeld führt (vgl. § 7 SGB V), kann der Verletzte den Schädiger auf Erstattung des Unterschiedes in Anspruch nehmen. Bezieht der Geschädigte unfallbedingt eine Rente der Deutschen Rentenversicherung, so ist er unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Ziff. 11 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Die hieraus resultierende Beitragsbelastung gehört zu dem vom Schädiger zu ersetzenden Schaden.
Rz. 121
Die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung (gemäß der Regelungen des SGB XI) sind im Rahmen der Ermittlung des Verdienstausfallschadens nach den gleichen Maßstäben zu behandeln wie die Beiträge zur Krankenversicherung. Entsprechendes gilt für die Beiträge zur privaten Pflege(pflicht)versicherung.
Rz. 122
Erleidet der Geschädigte den Unfall als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB...