Rz. 272
Eine verzögerte Regulierung der Unfallschäden kann beim Verletzten zu weiteren Schäden führen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Ersatzes seines Erwerbsschadens, soweit der Verletzte zur hinreichenden Bestreitung seines Lebensunterhalts auf dessen Ausgleich angewiesen ist. Es stellt sich dann die Frage, inwieweit ihm ein Verzugsschaden zu erstatten ist oder ihm ein geschuldeter Schadensersatzbetrag – auch unabhängig von einem Verzugseintritt – zu verzinsen ist. Bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs droht dem Geschädigten auch die seitens des Schädigers erhobene Einrede der Verjährung. Auch insoweit ergeben sich beim auf Rentenzahlung gerichteten Verdienstausfallschadensanspruch Besonderheiten.
I. Ersatz des Verzugsschadens
Rz. 273
Im Verzugsfall hat der Schädiger die in § 288 Abs. 1, 2 BGB geregelten gesetzlichen Verzugszinsen zu zahlen, darüber hinaus nach §§ 288 Abs. 3, 4, 286 BGB aber auch einen weitergehenden Verzugsschaden zu ersetzen.
Rz. 274
Voraussetzung des Verzugseintritts ist nach der Grundsatzregelung des § 286 Abs. 1 BGB eine Mahnung, § 286 Abs. 2 BGB nennt vier Ausnahmetatbestände. Insbesondere steht nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine endgültige und ernsthafte Verweigerung der Leistung der Mahnung gleich (so bereits die ständige Rechtsprechung zum alten Recht). Voraussetzung des Verzugs ist auch im Fall der grundlosen Erfüllungsverweigerung jedoch die Fälligkeit der Forderung gegen den Schuldner. Gemäß § 286 Abs. 3 BGB tritt Verzug bei einer Geldforderung 30 Tage nach Fälligkeit und Zahlungsaufforderung ein. Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Geldleistungen (wie Rentenzahlungen) bleibt es aber dabei, dass der Schuldner in Verzug kommt, wenn er zu der kalendermäßig bestimmten Zeit nicht leistet.
Rz. 275
Schadensersatzansprüche des Geschädigten aus unerlaubter Handlung werden mit ihrer Entstehung fällig. Ein zum Verzug führendes Verschulden ist bei einem solchen Anspruch aber erst zu bejahen, nachdem eine dem Schädiger (und seinem Haftpflichtversicherer) zur Verfügung stehende angemessene Frist zur Prüfung der Sach- und Rechtslage verstrichen ist. Vor Ablauf dieser Prüfungsfrist tritt – trotz eventueller Mahnung – Verzug gem. § 285 BGB nicht ein. Für die Länge der Prüfungsfrist gibt es keine festen oder starren Regeln. Sie hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Schwierigkeit des einzelnen Sachverhalts, ab. Je klarer die Tatsachen- und Rechtslage ist, desto rascher müssen der Schädiger und sein Versicherer regulieren; je existenzieller der Schadensausgleich für den Verletzten ist, desto umgehender müssen die Beteiligten alle Fragen klären. Sind Rückfragen notwendig, ist die Zubilligung einer Prüfungsfrist von sechs bis acht Wochen nicht unangemessen. Geht es auf Schädigerseite um NATO-Streitkräfte, kann auch ein Zeitraum von vier Monaten als angemessen erscheinen. In der Regel wird man einem Versicherer, wenn ihm seitens des Geschädigten alle notwendigen Unterlagen vorgelegt worden sind und weitere Rückfragen nicht mehr notwendig werden, keine längere Prüfungsfrist als etwa zwei Wochen zubilligen können. Gerade in Fällen des Erwerbsschadens – insbesondere bei Selbstständigen – werden die Verhältnisse häufig eine nicht unerhebliche Prüfungsfrist erfordern, und zwar sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht. Auch und gerade hier muss der Schädiger aber auf eine schnellstmögliche Prüfung bedacht sein.
Rz. 276
Nach § 287 BGB hat der Schuldner während des Verzugs jede Fahrlässigkeit zu vertreten und haftet wegen der Leistung auch für Zufall, es sei denn, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten sein würde. Der Schuldner kommt indes nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB). Ein Rechtsirrtum vermag jedoch nur unter ganz strengen (bei einem Versicherer wohl selten gegebenen) Anforderungen zu entschuldigen.
Rz. 277
Droht bei verzögerter Regulierung ein besonders hoher Schaden, muss der Verletzte, damit ihm nicht nach § 254 Abs. 2 BGB der Einwand eines mitwirkenden Verschuldens entgegengehalten werden kann, den Schädiger darauf hinweisen; dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Schädiger seine Einstandspflicht ohnehin bestreitet. Der Verletzte, der den Schädiger über die Dringlichkeit der Regulierung seines Verdienstausfallschadens informiert hat, ist aber nicht gehalten, den Versuch zu unternehmen, seinen Rentenanspruch vorab im Verfahren der einstweiligen Verfügung durchzusetzen (zu dieser prozessualen Möglichkeit unten Rdn 298 ff.); der Schuldner, der zur alsbaldigen Zahlung verpflichtet ist, kann dem Gläubiger grundsätzlich nicht vorhalten, dass dieser ihn nicht bereits gerichtlich in Anspruch genommen habe.
Rz. 278
Macht der Verletzte im Verzugsfall neben den gesetzlichen Zinsen des § 288 Abs. 1 BGB einen weiteren Verzugsschaden geltend, so muss er diesen darlegen und nachweisen (bei höheren als den gesetzliche...