Rz. 289
Soweit der Verletzte seinen auf Ersatz des Erwerbsschadens gerichteten Anspruch gerichtlich geltend machen muss, stellen sich zunächst die allgemeinen prozessrechtlichen Fragen des Haftpflichtverfahrens (dazu §§ 26 ff.; zu Klagen auf wiederkehrende Leistungen, zu denen die Erwerbsschadensrente gehört, vgl. die Ausführungen zur Leistungsklage in § 26 Rdn 45 ff.). Eine große Bedeutung gerade im Hinblick auf die zur Ermittlung des Verdienstausfallschadens (zumal bei Selbstständigen) anzustellende Prognose der voraussichtlichen künftigen Entwicklung kommt der Erleichterung des Beweismaßstabes auf der Grundlage des § 287 ZPO in Verbindung mit § 252 BGB zu (dazu im Einzelnen oben § 2 Rdn 187 ff. und oben Rdn 148 ff.). Soweit dem Verletzten gemäß § 843 Abs. 1 BGB eine Verdienstausfallrente zugesprochen wurde, kann bei nachträglicher wesentlicher (nicht voraussehbarer) Änderung der Verhältnisse eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO in Betracht kommen (dazu § 26 Rdn 220 ff.). Im Folgenden soll noch auf wenige spezielle Fragen eingegangen werden, die sich prozessrechtlich bei der Geltendmachung des Erwerbsschadens ergeben können.
I. Unbezifferter Klageantrag
Rz. 290
Im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die sich bei der exakten Prognostizierung und Darlegung eines Verdienstausfallschadens ergeben, stellt sich die Frage, ob und unter welchen Umständen es zulässig sein kann, im Rechtsstreit hinsichtlich der auf der Grundlage des § 843 Abs. 1 BGB geforderten Schadensrente einen unbezifferten Klageantrag zu stellen.
Rz. 291
Grundsätzlich ist es nicht unzulässig, von einer Bezifferung des auf Zahlung eines Geldbetrages gerichteten Klageantrags dann abzusehen, wenn die ziffernmäßige Festlegung einer Forderung entscheidend von der Ausübung des richterlichen Ermessens oder einer richterlichen Schätzung abhängig ist. Allerdings muss der Kläger, um dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen, auch bei unbezifferten Leistungsanträgen nicht nur die tatsächlichen Grundlagen, sondern auch die Größenordnung des geltend gemachten Betrages so genau wie möglich angeben. Unbezifferte Klageanträge kommen insbesondere bei Schmerzensgeldklagen vor. Sie werden aber auch akzeptiert, wenn etwa nach richterlichem Ermessen auf die Abänderung eines Vertrages betreffend eine Urhebervergütung geklagt wird, ferner, wenn die Schwierigkeiten, den Antrag zu beziffern, darauf beruhen, dass der Kläger eine unüberschaubare Anzahl von Einzelforderungen in einer Klagehäufung gebündelt hat. Der Bundesgerichtshof hat auch eine unbezifferte Antragstellung in einem Fall für ausreichend bestimmt gehalten, in dem die Kläger eine Klage aus § 909 BGB erhoben und mit der Behauptung eines Totalschadens und einer Verkehrswertschätzung des Hauses angemessenen Ersatz verlangten. Nicht zulässig ist hingegen ein unbestimmter Klagantrag, mit dem der Kläger das Risiko einer späteren Beweisaufnahme über eine ihn treffende Mitverantwortung an dem Eintritt seines Schadens auffangen will. Im Bereich des auf der Grundlage von § 252 S. 2 BGB, § 287 ZPO zu ermittelnden Verdienstausfallschadens kann ein unbezifferter Klageantrag allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Eine frühe Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die einen unbezifferten Klageantrag bei Geltendmachung des Erwerbsschadens eines freiberuflich Tätigen zugelassen hat, ist in Anbetracht der zwischenzeitlichen Rechtsentwicklung überholt. Richtigerweise werden heute Klageanträge, die auf Ersatz des Erwerbsschadens gerichtet sind, durchgehend beziffert. Soweit der Klageanspruch nicht beziffert werden kann, etwa weil die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, kann der Geschädigte Feststellungsklage erheben, was in der Praxis auch regelmäßig geschieht und im Hinblick auf die Vermeidung der Verjährung auch erforderlich ist. Dabei ist der Feststellungsantrag so zu formulieren oder im Regelfall jedenfalls dahin auszulegen, dass sich die Feststellung auf den gesamten Erwerbsschaden ab Klageeinreichung erstrecken soll, soweit kein bezifferter Leistungsantrag gestellt ist.
Rz. 292
Haben mehrere Kläger, die vom Beklagten eine Schadensersatzrente verlangen können, in ihren Klageanträgen die Gesamtbelastung des Beklagten beziffert, so kann die Aufteilung des Rentenbetrages auf die einzelnen Kläger unter Umständen dem Gericht überlassen werden.
Rz. 293
Der Anspruch des Verletzten auf Zahlung einer Erwerbsschadensrente stellt im Übrigen einen prozessrechtlich selbstständigen Streitgegenstand gegenüber – anderen – auch auf demselben Unfallgeschehen beruhenden – Ersatzansprüchen (etwa auf Schmerzensgeld) dar.