Rz. 268
Vom Haftungshöchstbetrag ist die Deckungssumme aus dem Versicherungsvertrag des Schädigers mit seinem Haftpflichtversicherer zu unterscheiden. Wenn der Geschädigte den Direktanspruch (§ 115 VVG) gegen den Haftpflichtversicherer geltend macht, wird dessen Zahlungspflicht nicht nur durch die gesetzlichen Haftungshöchstbeträge bestimmt, sondern auch dadurch, welche Versicherungssumme mit dem Schädiger als Versicherungsnehmer vereinbart ist. Die vereinbarten Versicherungssummen reichten insbesondere bei vielen Altverträgen vielfach nicht aus, die Ansprüche des oder der Geschädigten in vollem Umfang zu befriedigen. Insoweit bestehen z.T. erhebliche Probleme, insbesondere wenn es um die verhältnismäßigen Teilung der nicht ausreichenden Versicherungssumme unter mehreren Betroffenen (§ 109 VVG; § 156 Abs. 3 VVG a.F.) geht. Der Einwand des Versicherers zur Erschöpfung der Haftungssumme ist bereits im Erkenntnisverfahren zu berücksichtigen, in dem die Haftung lediglich nach Maßgabe des Kürzungs- und Verteilungsverfahrens festgestellt werden kann. Beruft sich der Geschädigte im Haftpflichtprozess gegenüber dem Vortrag des Haftpflichtversicherers, die Versicherungssumme reiche zur Befriedigung der mehreren Betroffenen nicht aus, auf sein Befriedigungsvorrecht aus § 116 Abs. 4 SGB X, so führt dies nicht dazu, dass die Verteilung der Versicherungssumme generell unterbleibt; vielmehr findet zunächst im Rahmen des Verteilungsverfahrens die anteilige Kürzung aller Forderungen statt, sodann erhält der Geschädigte einen Anteil von den Ansprüchen seiner Rechtsnachfolger in der Höhe, wie sie erforderlich ist, um seinen Ausfall infolge der Kürzung auszugleichen. In Fällen, in denen die geschuldete Versicherungsleistung in der Erfüllung von Rentenverpflichtungen besteht, kommt es für die Frage, ob die vereinbarte Versicherungssumme überschritten wird, nicht auf die Summe der gezahlten Raten, sondern vielmehr auf den Kapitalwert der Rente an. Der Versicherer darf die Rentenzahlungen nicht einstellen, wenn die Summe der von ihm bereits bewirkten Rentenzahlungen die Versicherungssumme erreicht hat. Ob die Versicherungssumme ausreicht, entscheidet sich danach, ob sie nach Abzug der Kapitalzahlungen auf alle Ansprüche, die keine Rentenansprüche sind, geringer ist als die Summe der Kapitalisierungswerte aller zu erbringenden Rentenleistungen. In einem solchen Fall muss der Haftpflichtversicherer die Versicherungssumme verhältnismäßig verteilen.
Rz. 269
Bei sozialversicherten Geschädigten ist zu beachten, dass ihnen bei fehlender Mitverantwortlichkeit ein umfassendes Vorrecht zusteht. Denn nach § 116 Abs. 2 SGB X geht der Anspruch auf Ersatz eines Schadens, soweit er durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist, auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nur insoweit über, wie er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist. Im Fall bestehender Mitverantwortlichkeit liegen die Dinge anders. Nach § 116 Abs. 3 SGB X geht von dem bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist, wobei dies auch gilt, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Damit ist zwar das früher bestehende Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers beseitigt, doch wurde dies nicht durch ein Quotenvorrecht zugunsten des Geschädigten ersetzt, vielmehr gilt die sogenannte "relative Theorie" in modifizierter Form.
Rz. 270
Gemäß § 4 PflVG werden die Mindesthöhen der Versicherungssummen vom Bundesministerium der Justiz bestimmt und bei Bedarf, etwa bei einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder der verkehrstechnischen Umstände, angepasst. Nach der Anlage zu § 4 Abs. 2 PflVG betragen die Mindesthöhen derzeit für Personenschäden 7.500.000 EUR, für Sachschäden 1.120.000 EUR und für die weder mittelbar noch unmittelbar mit einem Personen- oder Sachschaden zusammenhängenden Vermögensschäden (reine Vermögensschäden) 50.000 EUR. Für Kraftfahrzeuge, die der Beförderung von Personen dienen, und Anhänger gelten unter den in der Anlage genannten Voraussetzungen abweichende Bestimmungen. Wird ein deutscher Haftpflichtversicherer, der für ein Fahrzeug eine sog. Grüne Versicherungskarte ausgestellt hatte, nach einem schweren Verkehrsunfall im Ausland anstelle des ausländischen Haftpflichtversicherers in Anspruch genommen, haftet er nur in Höhe der in den deutschen Gesetzen vorgesehenen Pflichtversicherungssumme.
Rz. 271
Entsprechendes wie im Fall der fehlenden Erwähnung der Haftungshöchstsumme im Tenor eines Feststellungsurteils gilt auch für die fehlende Erwähnung der Begrenzung auf die Versicherungssumme. Ergeben der Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils zweifelsfrei, dass die Feststellung auf der Grundlage von § 115 VVG (§ 3 Nr. 1 PflVG a.F.) erfolgt, schadet die fehlende Erwähnung ...