Rz. 193
Anders als bei Anwendung des § 844 Abs. 2 BGB im Falle der Tötung kommt es im Falle der Verletzung nicht auf den gesetzlich geschuldeten, sondern auf den vor dem Unfall tatsächlich erbrachten Umfang der Arbeitsleistung im Haushalt an. Der Schadensersatz bemisst sich nach dem erforderlichen Kostenaufwand für die Beschäftigung einer gleichwertigen Ersatzkraft, gleichgültig, ob eine solche tatsächlich eingestellt wurde oder nicht. Im Fall der Einstellung einer Ersatzkraft ist der tatsächlich gezahlte Bruttolohn maßgebend, andernfalls der Nettolohn einer fiktiven Ersatzkraft. Zu unterscheiden ist zwischen dem für die tatsächliche Arbeitsleistung von dem Haushaltsführenden benötigten und dem dafür erforderlichen Zeitaufwand. Beispielsweise erledigt eine Nur-Hausfrau die Haushaltsführung nicht unbedingt in der gleichen Zeit, die eine Fachkraft benötigen würde.
Rz. 194
Der Geschädigte muss darlegen und beweisen, dass und in welchem Umfang er vor dem Unfall für sich und für die Haushaltsangehörigen Haushaltsarbeit verrichtet hat und ob und in welchem Umfang er unfallbedingt dazu nicht in der Lage war bzw. noch ist. Dazu gehört ein konkreter Vortrag, in welchen Familien- und Wohnverhältnissen er lebt, in welchem zeitlichen Umfang vor dem Unfall Hausarbeit angefallen ist und ob und in welchem Umfang er und ggf. sein Partner und die Kinder sich an der Hausarbeit beteiligt haben. Erforderlich ist auch ein Vortrag dazu, inwieweit der Geschädigte zu der behaupteten Hausarbeit überhaupt in der Lage war. Wer voll berufstätig ist, wird selten Hausarbeit im gleichen Umfang leisten können wie etwa eine Nur-Hausfrau. Ein Fernfahrer, der ständig unterwegs ist, kann ersichtlich nicht im gleichen Umfang Hausarbeit leisten wie jemand, der vor Ort arbeitet und regelmäßig zu Hause ist.
Rz. 195
Der Geschädigte darf sich sowohl trotz der Darlegungs- als auch der Beweiserleichterungen aus § 287 ZPO, § 252 BGB nicht darauf beschränken, zum Umfang seiner Beteiligung an der Hausarbeit auf irgendwelche Durchschnittswerte oder Tabellen zu verweisen. Tabellen sind zulässige Hilfsmittel zur Schätzung des Schadens nach § 252 BGB, § 287 ZPO. Für einen schlüssigen Vortrag reicht es allerdings nicht aus, sich nur auf Werte daraus zu beziehen; die Heranziehung von Tabellenwerken entbindet den Verletzten also nicht davon, den Schaden konkret zu schildern und ggf. zu beweisen, was auch hinsichtlich der haushaltsspezifischen Minderung der Fähigkeit zur Arbeit im Haushalt (MdH) gilt. Es ist unzulässig, einen Schaden zunächst abstrakt vorzutragen und dann später mit einzelnen Tätigkeiten "aufzufüllen". Zunächst müssen konkrete Anknüpfungstatsachen vorgetragen werden, die erst die Anwendung solcher Tabellen ermöglichen. Die aus den Tabellen entnommenen Werte sind regelmäßig im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalles zu plausibilisieren. In neueren Entscheidungen wird verstärkt auf die Notwendigkeit konkreten Vortrags hingewiesen. Das Gericht ist übrigens nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren. Nimmt der Kläger zur Substantiierung seines Anspruchs allerdings auf eine aus sich heraus verständliche (und im Streitfall nicht einmal eine Seite umfassende) Darstellung in den Anlagen konkret Bezug und verlangt die Berücksichtigung der in Bezug genommenen Anlage vom Tatrichter keine unzumutbare Sucharbeit, so liegt eine solche Fallgestaltung nicht vor; lässt das Gericht eine konkret in Bezug genommene Anlage, die aus sich heraus verständlich ist und keine unzumutbare Sucharbeit verlangt, unberücksichtigt, verletzt es damit den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
Rz. 196
Bei der Anwendung von Tabellen muss kein allzu enger Maßstab angelegt werden. Auch die in neueren Tabellen aufgeführten Werte beruhen vielfach nicht auf aktuellen Untersuchungen der tatsächlichen Verhältnisse, sondern auf Jahrzehnte alten Erkenntnissen. Von daher erscheint eine Verkomplizierung, die letztlich zu einer Scheingenauigkeit führt, als wenig hilfreich. Letztlich geht es nur um eine weitgehend akzeptierte Schätzungsgrundlage, deren weit verbreitete Anwendung eine gewisse Rechtsgleichheit bei der Behandlung ähnlich gelagerter Fälle ermöglicht.
Literaturhinweis:
Deshalb ist nichts dagegen einzuwenden, als Schätzungsgrundlage weiterhin die Tabellen der 6. Auflage von Schulz-Borck/Hofmann heranzuziehen. Selbstverständlich bestehen auch gegen die Anwendung der Tabellen von Pardey in der 9. Auflage keine Bedenken. Auch auf die Tabellen von Schah Sedi kann zurückgegriffen werden.
Die Einbringung "gesunden Menschenverstandes" kann jedenfalls bei einer lebensnahen Anpassung der Tabellenwerte an die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls helfen.
Rz. 197
Helfen Verstand und Tabellen nicht weiter, muss eventuell Beweis zum Vortrag des Geschädigten erhoben werden. Das ist allerdings oft wenig ergiebig. ...